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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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was in seiner vom Mantel verdeckten Hand, er erkannte es an der Weise, wie das Material steif darum lag. Scott ließ das Traben Traben sein und sprintete los.
    Es war das Gesicht. Der Gedanke spulte sich immer wieder in seinem Kopf ab. Es war das Gesicht, das Gesicht.
    Stammte direkt aus den Endzeit-Comics, die sie jeden vierten Sonntag in der Kirche herausgaben, diejenigen, die den kleinen Kindern Albträume verursachten und die sich die älteren mit roten Häkchen in Pastor Williams Buch der Guten und Bösen Taten verdienen mussten. Es war dasselbe hohlwangige Aussehen von Entbehrung sowie der zusammengepresste Mund, das lange, ungepflegte Haar, das über die eckigen Knochen von Wangen und Kiefer herabhing, dieselben brennenden Augen…
    Der Blick des Jüngsten Gerichts. Direkt aus Band II, Nummer 63.
    Seine Knie zitterten. Sein Mund arbeitete. Er konnte es nicht…
    Die Tür summte – zuvor war ihm das Geräusch nie aufgefallen – und glitt zurück. Stimmen von drinnen, nach wie vor wütend.
    Der Mantel wirbelte herum, der rechte Arm des Fremden löste sich daraus, fuhr hoch, schwang herab. Etwas traf Scott gegen die Seite des Kopfs, und er stolperte, ging zu Boden, die Glieder ungeschickt verdreht. Blitzlichter zuckten durch seinen Kopf, hinterließen Funken und ein Jaulen und Flattern in seinen Ohren. Der Blick richtete sich kurz auf ihn, fuhr dann wieder herum und in den offen stehenden Konferenzraum. Der Fremde trat hindurch.
    Schreie stiegen auf. Nocera und Ward, fast unisono. »Das hier ist privat, du Arschloch, was tust du…«
    Ein jähes Schweigen, das über der Betäubung in seinem Kopf sang, wo er getroffen worden war. Dann wiederum Ward, in nacktem Unglauben.
    »Du? Was, zum Teufel, tust du hier drin? Was…«
    Ein tiefes, leises Husten – ein Geräusch, das er von irgendwoher kannte.
    Und das Kreischen setzte ein.
    Scott spürte, wie ihm das Geräusch Schweiß aus den Poren wrang, wie seine Haut vor Entsetzen eine Gänsehaut überlief. Wie damals, als sich Aarons Arm in den Zähnen von Dougie Streakers Felsenbrecher verfangen hatte, genau dasselbe Gefühl – ein Laut entsetzlicher Qual, eine so gewaltige Verletzung, dass sie alles von der Stimme abschälte, was ihr eigen war, und bloß noch ein irrsinniges Gekreisch der Verneinung blieb, das fast allem und jedem hätte gehören können.
    Carmen!
    Scott schlug um sich. Die panische Sorge um ihr Wohlergehen brachte ihn auf die Knie, auf die Beine. Er spürte Blut durch sein Haar rinnen, stolperte, wäre beinahe gestürzt, stützte sich am Rahmen der Tür ab, als sie sich gerade wieder schließen wollte. Einen Augenblick lang zitterte der Mechanismus unter seinem Griff, gab dann nach, und die Tür öffnete sich wieder völlig. Scott zog sich hoch und stolperte hindurch.
    Ihm blieb Zeit für einen blitzschnellen Blick.
    Blut, überall, die verführerische Farbe auf Konsolen und Wände verspritzt, was aussah, als rutschten ein paar Hände voll Fleischabfalle vom billigen Ende einer Fleischertheke langsam an den Scheiben herunter. Nocera lag am Boden, das Gesicht unbeholfen zur Seite gedreht, die Augen offen, die Wange fest auf den schlecht gesäuberten, staubigen Fußboden gedrückt, als ob er auf Ratten im Unterbau lauschen würde. Weiteres Blut, eine weite, rotweindunkle Pfütze, leckte um seine Taille, Zungen des Zeugs drehten und wanden sich durch den Staub. Über seinem Leichnam rangen Ren und der Fremde um eine Waffe mit vierschrötigem Lauf – Scott brachte sie mit dem leisen Aufprallgeräusch zusammen, das er gehört hatte, eine der Cressi-Haifischharpunen aus dem Lager oben. Sollte weggeschlossen sein, das hatte er Ward immer gesagt, aber…
    Ward lag dahinter auf dem Rücken.
    Noch mehr Blut. Der große Mann schlug um sich, rutschte in dem Blut umher und presste die Hand auf den Körper. Benommen und entsetzt sah Scott ein ausgefranstes rotes Loch dort, wo sein Bauch gewesen war. Zerfetztes Gewebe hing wie Stricke heraus, klumpte sich auf dem Fußboden zusammen und war auf seinen Fingern verschmiert, als hätte er sie in eine rot gefärbte Backmischung gesteckt. Wards Mund war ein klaffender, rosafarbener Tunnel – man konnte bis hinab auf die Mandeln sowie auf eine weißlich-gelb bebende Zunge blicken –, und das Gekreisch stieg von dort in übelkeitserregenden Wellen auf. Sein Blick klammerte sich an Scott auf der Türschwelle, nagelte ihn dort fest. Weit aufgerissen, bettelnd, wahnsinnig vor Schmerzen. Scott wusste nicht, ob ihn sein

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