Skorpion
COLIN-Sicherheitsdienst. Meinen Partner haben Sie bereits kennengelernt, Tom Norton. Wir müssen eine Anzahl von Dingen klären, bevor wir…«
»Ich werd’s tun.« Seine Stimme war tief und wohl moduliert. Der englische Akzent brachte sie ins Straucheln.
»Wie bitte?«
»Was ich für Sie erledigen soll. Ich werd’s tun. Um jeden Preis. Das habe ich bereits Ihrem Partner gesagt. Ich nehme den Job an. Im Gegenzug erwarte ich bedingungslose Immunität gegenüber sämtlichen Anklagen, die gegen mich in der Schwebe sind, sofortige Freilassung aus republikanischem Gewahrsam und Erstattung sämtlicher Kosten, die ich wahrscheinlich haben werde, während ich Ihre schmutzige Arbeit erledige.«
Ihre Augen wurden schmal. »Das ist vielleicht eine Vermutung, die Sie da äußern, Mr Marsalis.«
»Wirklich?« Er hob eine Braue. »Für meine Blumengestecke bin ich eigentlich nicht bekannt. Aber sehen wir, ob meine Vermutungen so falsch sind, ja? Ich gehe mal davon aus, dass Sie jemanden aufstöbern wollen. Jemanden wie mich. Das ist gut, denn genau das tu ich. Der einzige Teil, der mir unklar ist, ist der, ob ich ihn, wenn ich ihn auftreibe, lebendig oder tot bringen soll.«
»Wir sind keine Meuchelmörder, Mr Marsalis.«
»Das haben Sie gesagt.«
Sie spürte den alten Ärger hochkochen. »Auch noch stolz darauf, hm?«
»Es bringt Sie aus der Fassung?«
Sie sah hinab auf das aufgeklappte Dataslate und den dort abgedruckten Text. »In Peru haben Sie eine unbewaffnete und verletzte Frau in den Hinterkopf geschossen. Sie haben sie exekutiert. Sind Sie auch darauf stolz?«
Lange Pause. Sie suchte seinen Blick und hielt ihm stand. Einen Moment lang dachte sie, er würde aufstehen und hinausgehen. Halb, so begriff sie, hoffte sie darauf.
Stattdessen lenkte er den Blick abrupt zu einem der hoch in der Wand eingelassenen Fenster im Warteraum. Ein kleines Lächeln berührte seine Lippen. Verschwand. Er räusperte sich.
»Ms Ertekin, wissen Sie, was eine Haag-Waffe ist?«
»Ich habe davon gelesen.« In den Kommuniqués der NYPD, die die Behörden dazu gedrängt hatten, schärfere Richtlinien zur Waffenkontrolle zu verabschieden, bevor die neue Bedrohung die Straßen erreichte. Erschreckend genug, dass die Initiative fast ohne Debatte angenommen worden war. »Ist eine Bio-Waffe.«
»Ist eigentlich ein wenig mehr als das.« Er öffnete locker die rechte Hand, neigte den Kopf und schaute sie an, als könne er die Waffe auf der Handfläche ruhen sehen. »Sie ist ein System, das ein künstlich fabriziertes Virus zur Erzeugung einer Immunschwäche liefert, Falwell Sieben genannt. Es gibt andere solcher Waffen, aber sie sind nicht weit verbreitet. Falwell ist virulent und sehr unangenehm. Es gibt kein Gegenmittel. Haben Sie jemals jemanden gesehen, der an einem zusammengebrochenen Immunsystem gestorben ist, Ms Ertekin?«
Hatte sie tatsächlich. Nalan, eine Kusine Hakkaris, ein ehemaliges Partygirl in den Grenzstationen, wo die Türkei stolz ihre europäischen Pflichten erfüllte und den Schlamassel weiter nach Osten zurückdrängte. Etwas, das sie einem UN-Soldaten zu verdanken hatte. Nalans Familie, die sich ihrer Rechtschaffenheit brüstete, warf sie hinaus. Sevgis Vater spuckte Gift und Galle und fand eine Möglichkeit, sie nach New York zu schaffen, wo er einen gewissen Einfluss bei einer der neuen Forschungskliniken mitten in der Stadt ausübte. Beziehungen zur Familie in der Türkei, sowieso bereits gespannt, rissen nun endgültig. Er wechselte nie wieder auch nur ein Wort mit seinem Bruder. Sevgi, die damals erst vierzehn war, holte zusammen mit ihm ein blasses, großäugiges Mädchen am Flughafen ab, so alt, dass es wie ein Abgrund an Jahren erschien, aber glücklicherweise unbewandert in der städtischen Hochnäsigkeit von Teenagern. Sie erinnerte sich immer noch an den Ausdruck auf Nalans Gesicht, als sie alle durch dieselbe Tür die Moschee in der Skillman Avenue betraten.
Murat Ertekin tat alles, was er konnte. Er setzte Nalan auf die Liste der experimentellen Behandlungsmethoden im Krankenhaus, und daheim gab er ihr Vitamine und Anti-Virenmittel. Er strich das leer stehende Zimmer für sie, sonnenhell und grün wie der Park. Er betete fünf Mal am Tag, zum ersten Mal seit Jahren. Schließlich weinte er.
Nalan starb dennoch.
Sevgi verscheuchte blinzelnd die Erinnerung; vom Fieberschweiß getränkte Laken und flehender Blick aus hohlen Augen.
»Damit wollen Sie sagen, Sie haben dieser Frau einen Gefallen
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