Skorpion
erwiesen?«
»Ich will damit sagen, dass ich sie rasch und schmerzlos dorthin befördert habe, wohin sie sowieso gekommen wäre.«
»Meinen Sie nicht, dass sie sich das hätte aussuchen sollen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sie hatte ihre Wahl getroffen, als sie mich angesprungen hat.«
Hätte sie noch einen Zweifel daran gehabt, was er war, so wäre der jetzt bereinigt. Es war dieselbe unerschütterliche Ruhe, die sie an Ethan erlebt hatte, und dieselbe psychische Masse. Er saß in dem Stuhl wie etwas, das aus schwarzem Stein geschnitzt war, und beobachtete sie. Sie spürte, wie sich etwas ganz leicht in ihrer Brust verschob.
Sie tippte auf eine Taste des Dataslate. Eine neue Seite erschien auf dem Display.
»Sie waren kürzlich im Gefängnis in einen gewalttätigen Vorfall verwickelt. Ein Kampf im Flügel F, Duschblock. Vier Männer krankenhausreif geschlagen. Drei von Ihnen.«
Pause. Schweigen.
»Sie möchten mir Ihre Sicht des Vorfalls berichten?«
Er rührte sich. »Ich würde annehmen, die Details sprechen für sich. Drei weiße Männer, ein schwarzer Mann. Es waren Prügel von einem Strafkommando der Arier.«
»Die das Gefängnispersonal nicht unterbunden hat?«
»Überwachung in den Duschen lässt sich Anführungszeichen unten durch den entstehenden Dampf stören Anführungszeichen oben.« Seine Lippen kräuselten sich einen Bruchteil. »Oder Seife wird über die Linsen gerieben. Reaktion kann sich verzögern. Durch Anführungszeichen unten Fremdfaktoren Anführungszeichen oben.«
»Also fühlten Sie sich berufen, dazwischen zu gehen.« Sie tastete nach Motiven umher, die auf Ethan gepasst hätten. »Dieser Reginald Barnes, das war ein Freund von Ihnen?«
»Nein. Er war ein beschissener Verräter. Er hatte es verdient. Aber zu diesem Zeitpunkt habe ich das nicht gewusst.«
»War er genetisch modifiziert?«
Marsalis grinste höhnisch. »Nein. Es sei denn, es gibt irgendwo ein Projekt, von dem ich noch nicht gehört habe, bei dem hirnlose süchtige Vollidioten herauskommen.«
»Da haben Sie Solidarität wegen der Hautfarbe verspürt?«
Das höhnische Grinsen wich einem Stirnrunzeln. »Ich wollte eher nicht unbedingt mit ansehen, wie er mit einer Bohrmaschine in den Arsch gefickt wurde. Ich glaube, das ist wahrscheinlich eine hautfarbenunabhängige Vorliebe, meinen Sie nicht?«
Sevgi zügelte sich. Das lief nicht gut. Sie war sauer wegen des Syn-Verbots – keine synaptischen Modifizierer in Jesusland gestattet, sie hatten sie ihr am Flughafen abgenommen – und kochte noch immer wegen des Streits, den sie gegen Norton in New York verloren hatte.
Ich meine das ernst, Sev. Der Ausschuss für taktische Vorgehensweisen hat sich jetzt über diese Sache hergemacht. Wir werden Besuch von Ortiz und Roth in Sektion Zwei haben, drei Mal die Woche…
Leibhaftig? Welche Ehre!
Sie wollen Fortschrittsberichte, Sev. Was bedeutet, Berichte über einen Fortschritt, und gerade im Augenblick haben wir da nichts zu bieten. Wenn wir nicht etwas unternehmen, das nach ›auf zu neuen Taten‹ riecht, wird Nicholson mit beiden Füßen auf uns landen. Nun, ich werde das überleben. Aber du?
Sie nicht, das wusste sie.
Oktober. Damals in New York, die Bäume im Central Park verfärbten sich allmählich rostrot und fleckig gelb. Während sie sich jeden Tag für die Arbeit fertig machte, hüllten sich die Marktbeschicker unter ihrem Fenster gegen die Kühle des frühen Morgens ein. Der Sommer hatte gewendet, war am klaren blauen Himmel über der Stadt abgekippt wie ein Düsenjäger, und das Sonnenlicht rutschte kalt und glitzernd von seinen Flügeln runter. Die Wärme war noch nicht völlig abhanden gekommen, schwand jedoch sehr rasch. Süd-Florida fühlte sich an, als klebe es an ihr.
»Wie viel hat Norton Ihnen gesagt?«
»Nicht viel. Dass Sie ein Problem haben, bei dem Ihnen UNGLA nicht helfen will. Den Grund dafür hat er nicht genannt, aber es hat vermutlich etwas mit München zu tun.« Ein jähes, unerwartetes Grinsen, das etwa ein Jahrzehnt von seinen gefurchten Zügen herabfallen ließ. »Sie hätten wirklich wie alle anderen das Abkommen unterzeichnen sollen.«
»COLIN hat den Entwurf im Prinzip akzeptiert«, sagte Sevgi und hatte grundlos das Gefühl, sich verteidigen zu müssen.
»Ja. Es ging alles ums Prinzip, nicht wahr? Prinzipiell; ihr erzählt uns nicht, was wir zu tun haben, ihr globalistischer Bürokratenabschaum.«
Da er nicht zu weit von der Wahrheit entfernt war, debattierte sie diesen
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