Skorpion
der flimmernden hitzelosen Sonne Arizonas blitzten. Das Material seiner kurzärmeligen Uniform hatte eine vollkommene, fabrikneue Beschaffenheit, ähnlich wie seine makellose, völlig reine Haut. Muskeln zeigten sich wie Stricke an seinen Unterarmen und wölbten sich an den Schultern. Er hätte, dachte Sevgi säuerlich, aus einem frühen Stadium eines Porno-Experia stammen können, aus dem Abschnitt, bevor die Kleider fielen. Vermutlich steckte die Absicht dahinter, Respekt für die Symbole der Gesetzeshüter Angelines hervorzurufen, das und auch Zutrauen. Aber abgesehen davon, dass es sie leicht erwärmte, erreichte das Bild ansonsten lediglich, dass sie knapp vor dem Loskichern stand.
Oh, gut, wenigstens ist es keine weitere verdammte körperlich vollkommene Super-Nutte.
Eigentlich sogar mehr als nur leicht erwärmte.
»Öh, ich warte…«
»Auf einen Kollegen.« Das ’face nickte. »Er kommt herein, aber es braucht etwas Zeit. Darf ich Ihre Zugriffsberechtigung sehen?«
Sevgi hob die offene Hand und sah zu, wie das Geflecht eines bläulichen Maschinencodes davon abfiel. Es spritzte mit einem schwachen Knistern zu Boden und verschwand im Schmutz, wie aufgesaugt. Trotz der Färbung verspürte sie leises Unbehagen, als sehe sie dabei zu, wie sie durch ein aufgeritztes Handgelenk verblutete. Zumindest, was sie sich vorstellte, wie es wäre, wenn…
Hör auf damit!
»Vielen Dank, Ma’am. Sie können fortfahren.« Vor ihr tauchten rasch die vertrauten Lehmziegel-Datenhäuser auf. Das ’face trat beiseite, um Sevgis neuen Status anzudeuten. »Ihr Kollege ebenfalls.«
Sie hatte es nicht bemerkt. Neben ihr löste sich Marsalis aus den Schatten. Während sie ihm dabei zuschaute, wie er sich materialisierte, verlor sie jegliches Interesse an dem Streifenpolizisten. Die Attraktion lag in den Mängeln, den Linien im Gesicht, der schwachen, flachen Narbe über seiner linken Hand, die das Aussehen einer Brandnarbe hatte, den kaum wahrnehmbaren grauen Strähnen im Haar. Wie sich sein Mund leicht nach rechts verzog, als er den Streifenpolizisten ansah. Wie er den Raum vereinnahmte, als ob er einen Durchgang irgendwohin versperrte. Wie er…
Sie wusste nach wie vor nicht so genau, weswegen er freiwillig zu ihr in die Virtualität kam.
»Sie haben Zeit gebraucht«, bemerkte sie ein wenig härter, als sie beabsichtigt hatte.
Er zuckte mit den Schultern. »Geben Sie den Genen die Schuld. Dreizehner leisten den Hypnosetechniken heftig Widerstand. Ich weiß von einigen Knaben damals in Osprey, die man betäuben musste, bevor sie überhaupt ein V-Format nutzen konnten. Sollen wir uns Toni mal anschauen?«
Das ’face führte sie über den Sand zum nächsten Datenhaus. Tatort hing in einem holografischen Blau in der Luft daneben. Außergewöhnlich war, dass der Luftziegelbau eine Tür besaß. Der Streifenpolizist betätigte den schwarzen Eisenriegel und drückte die rohe Holztür nach innen. Sie öffnete sich inkongruent auf einen pedantisch dekorierten vorstädtischen Flur.
»Mein Name ist Cranston«, sagte das ’face, als es zurücktrat, um sie vorbeizulassen. »Wenn Sie Hilfe seitens des Departments benötigen, rufen Sie mich bitte. Das Opfer liegt im Esszimmer. Zweite Tür links. Sie können alles berühren oder bewegen, aber wenn Sie die Veränderungen dauerhaft wünschen, müssen Sie mir eine Anweisung erteilen.«
Sie fanden Toni Montes auf dem Boden des Speisezimmers liegend vor, unweit des Wandabschnitts, der mit ihrem Blut und ihrer Gehirnmasse bespritzt war. Sie war im Sturz herumgerollt und auf der Seite gelandet. Der Kopf hatte sich gedreht und zeigte die schlammige Masse der Austrittswunde. Ihre Gliedmaßen waren ein knochenloses Gewirr, die Füße bloß. Die schwach schimmernde weiße Umrisslinie um ihren Leichnam schien sie vom umgebenden Haus zu isolieren, als wäre er darauf vorbereitet worden, aus dem Bild geschnitten zu werden. Beim Herantreten scrollten weitere ergänzende Daten in sauberen holografischen Kästchen über den Leichnam. Gewebetrauma, Zeitpunkt des Todes. Wahrscheinliche Ursache der Sekundärverletzungen. Alter, Geschlecht, Rasse. Genetische Besonderheiten.
»Ich hasse diesen Scheiß«, bemerkte Sevgi, um irgendetwas zu sagen. »Verfluchte Komfort-Kultur, verdeckt bloß, was man eigentlich sehen will.«
»Sie können es vermutlich abschalten.«
»Hm.« Sie rührte keinen Finger, um Cranston herbeizurufen. »Als ich damals bei der Polizei angefangen habe, ließ die NYPD gerade Versuche
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