Skorpione im eigenen Saft
anzubieten, das zu vollziehen, was wegen Lechugas plötzlichem Erscheinen abrupt geendet hatte.
Es blieb abzuwarten, ob sich so endlich die passende Gelegenheit bieten würde, den Fall Aizpurua abzuschließen …
Doch es sollte nicht sein.
Trotzdem bestellte ich ein Taxi und verschwand, um den Rest des Tages allein in Vitoria zu verbringen. Ich wollte dem eifersüchtigen Lechuga nicht über den Weg laufen. Ich kehrte zurück, als sie das Gebet des Komplets beendeten, unmittelbar vor Schließung der Türen.
Am nächsten Morgen stand ich rechtzeitig auf, um vor dem Frühstück zur Messe zu gehen, die Crescencio abhalten sollte. Seit unserem pornografischen Schwank in dem Wäldchen hatte ich kein einziges Wort mit ihm gewechselt.
Ich betrat die Kirche als Letzter. Alle hatten bereits ihre im Halbrund hinter dem schlichten Altar angeordneten Plätze eingenommen. Ich war der Einzige in Zivil und saß immer auf einer der Kirchenbänke; ich setzte mich in die erste Reihe.
Sofort fiel mir auf, dass Lechuga nicht da war.
Crescencio begann mit der Messe. Er war der Liturgie entsprechend mit der bestickten Kasel bekleidet. Der Blick, den er mir zuwarf und den die anderen nicht sehen konnten, war wie von einem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.
Ich bemerkte, dass der Abt mit Pater Demetrio Kotxorro flüsterte. Kotxorro verließ daraufhin die Kirche; bestimmt sollte er nach dem abwesenden Lechuga sehen.
Die kurze Messe ohne Predigt ging ihren Gang. Kotxorro kam nicht zurück.
Doch plötzlich, während der Wandlung, als alle knieten und Crescencio die Hostie in die Höhe hielt, kam durch das Hauptportal am anderen Ende der erschrockene Pater Kotxorro hereingestürzt. Er schrie:
»Achtung! Er ist verrückt geworden! Er hat ein Gewehr!«
Für mehr blieb ihm keine Zeit. Man hörte den dumpfen Knall des Mausergewehrs, und mit durchbohrtem Herzen stürzte der Mönch tot zu Boden.
Die anderen Mönche erhoben sich, Crescencio mit der Hostie in der Hand rührte sich nicht und ich warf mich auf den Boden und kroch unter die Bank.
Bruder Lechuga stürmte mit langen Schritten in die Kirche und hantierte am Gewehrschloss, um eine neue Patrone in das Lager zu schieben.
Die leere Hülse fiel klirrend wie eine Münze auf den Steinfußboden.
Er rückte bis in die Mitte des Kirchenschiffs vor, riss das Gewehr nach oben und zielte auf den Altar. Er trug seine alte Feldwebeluniform der Infanterie und hatte sich einen langstieligen rostfreien Schaumlöffel an den Gürtel gehängt.
»Keine Bewegung! Sonst mach ich Euch fertig!«
Keiner rührte auch nur den kleinen Finger.
»Dem verdammten Kotxorro hab ich eine verpasst, weil er ein Separatist und Sympathisant dieser ETA-Schweine ist … Und dir, Crescencio, schieße ich ein Loch in den Kopf, du weißt schon, wofür … Was ich da gesehen habe, ist unerträglich … Dem Feldwebel Marcial Lechuga Zancajo setzt nicht einmal Jesus Christus ungestraft die Hörner auf!«
»Marcial! Um Gottes Willen! Dreh doch nicht gleich durch, nur weil ich einmal schwach geworden bin … wegen einer so dummen Geschichte, die nichts zu bedeuten hat … Du weißt, dass du der Einzige bist, der zählt«, stammelte Crescencio, der die Hosen voll hatte.
»Mir platzt gleich der Kragen! Schamloser Lügner!«
»Mein Sohn, tu nichts Unüberlegtes und wirf die Waffe weg … Mach dich nicht unglücklich, wir können das doch regeln … Wir wissen doch um dich …, um uns … Und wir verstehen dich und akzeptieren dich so, wie du bist«, sprach der Abt.
»Ich schieße!«
Crescencio unternahm einen letzten verzweifelten Versuch.
Da er die Hostie nicht losgelassen hatte, ergriff er sie nun mit beiden Händen, hielt sie vor sein Gesicht und sagte so feierlich, wie es die Situation erlaubte:
»Halt! Das befiehlt dir Gott in dieser heiligen Gestalt!«
»Ich scheiß auch auf Gott, wenn’s sein muss. Du gehörst mir oder keinem!«
Die Detonation hallte vielfach durch das steinerne Kreuzgewölbe; die Kugel Kaliber 7,92 mm durchschlug die große Hostie genau in der Mitte und traf Crescencio, welch poetische Gerechtigkeit, in den Mund.
Doch die Vorführung war noch nicht beendet.
»Keiner rührt sich vom Fleck, das hier ist noch nicht vorbei!«
Der Sammler und der ketzerische Theologe hörten nicht auf ihn und nutzten den Moment, in dem er am Gewehrverschluss hantierte, um wie der Teufel, der hinter der armen Seele her ist, durch die Seitentür zu verschwinden.
»Du! Komm raus da! Du bist dran.«
Er
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