Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
Süßigkeiten hat er auch immer für mich. Wir spielen dann immer „Fang und kitzel mich“, und dabei ist mir meine Schlafanzughose verrutscht und er hat meinen Nabel gesehen. Er war ganz erstaunt und wollte ihn unbedingt ganz genau anschauen. Er hat gesagt, dass ich einen Prinzessinnennabel habe und ganz früher wäre ich bestimmt eine ganz echte Prinzessin geworden, so richtig mit Krone und Schloss und so. Dann habe ich mein T-Shirt ausziehen müssen und er hat überall an mir nach dem Prinzessinnenmal gesucht. Das ist ein kleiner Fleck, den auch nur die ganz richtigen Prinzessinnen haben. Stell dir vor, wo Tom ihn gefunden hat: hinten an meinem linken Bein. Ganz oben, da wo fast der Popo ist. Tom hat sich ganz doll darüber gefreut, ich glaube, er musste beinahe weinen oder so. Jedenfalls hat
er ganz komisch geschnauft. Dann hat er noch Fotos von mir gemacht. Das war ein bisschen komisch, denn ich sollte mich ganz nackig machen. Tom hat gesagt, das müssen alle Prinzessinnen tun, denn sie seien doch etwas ganz Besonderes. Bloß schade, dass ich der Mama das nicht erzählen darf. Tom hat gesagt, wenn ich irgendjemandem auf der Welt davon erzähle, dann verschwindet das Mal und ich bekomme einen hässlichen Nabel, der weh tut. Aber dir erzähle ich es. Du bist ja nicht mehr auf der Welt. Du bist ja bei den Engeln. Mein Nabel ist immer noch hübsch und weh tut er auch nicht. Das Mal ist auch noch da, ich habe in Mamas Schminkspiegel nachgekuckt. Lieber Papa, wenn ich eine richtige Prinzessin bin, dann bist du doch auch ein König nicht wahr? Schade, dass ich Mama nicht sagen darf, dass sie dann auch eine Königin ist. Tom sagt, eines Tages dürfen wir es allen erzählen, aber erst, wenn er es sagt
.
Viele Küsse von deiner Prinzessin
Eva Kottke hatte sich an jenem Tag rasch von Paulas Mutter verabschiedet. Sie hatte ihr gesagt, warum sie sich zu ihrer Tochter hingezogen fühlte. Sie hatte ihr in knappen Worten ihre eigene traurige Geschichte erzählt und hatte sich erhoben, als sich ein erstes schwaches Aufflackern von Verständnis in dem ernsten Gesicht von Petra Boskow abzeichnete.
Die Geschichte war eben gut. Ein Holzklotz, wem da nicht die Tränen kamen. Auf Wiedersehen, Frau Boskow.
Eine tiefe brodelnde Wut erfüllte Eva, als sie längst wieder zu Hause war. Diese Frau besaß eine Tochter. Ein kleines Mädchen, das sie gar nicht verdiente. Das mit ihr in einem stinkenden, hässlichen Plattenbau hausen musste, das in einer Schule mit hohem Ausländeranteil gehen musste und das wohl irgendwann eine Lehre als Verkäuferin oder Friseurin machen würde. Wenn es nicht schon vorher von dem umgebenden Sumpf aus Kriminalität, Drogen und Gewalt verschluckt werden würde.
Das durfte niemals geschehen! Paula musste da raus. Entschlossen stürzte Eva den Martini hinunter und atmete tief durch. Paula gehörte ihr. Dass sie nicht ihre eigene Tochter war, war ein bedauerlicher Irrtum des Schicksals. Sie würde das ändern. Die Frau, die sich Eva Kottke nannte, hatte Erfahrung im „Korrigieren“ solcher Fehler.
Morgen würde sie die nötigen Schritte in die Wege leiten. Heute nicht mehr. Sie hatte schließlich noch ein Geschäft zu führen. Viel zu oft war sie in der Maske der unscheinbaren Eva unterwegs gewesen. Es wurde bereits getuschelt. Die Maicamp hatte sie letztens so taxierend angesehen. Die Leiterin der Marketingabteilung Inland setzte gerne Gerüchte in die Welt. Es hieß, die Chefin hätte da wohl jemanden kennen gelernt. Nun, Veronika Maicamp hatte ab morgen viel Zeit, sich Geschichten auszudenken. Per Mausklick schickte Eva die Kündigung an die Personalabteilung. Natürlich mit fetter Abfindung, gekoppelt mit einer juristisch nicht anfechtbaren Unterlassungserklärung. Sie hasste rachsüchtige Ex-Mitarbeiter.
Es war schon weit nach Mitternacht, als die hochgewachsene Blondine durch die Glastür des modernen Bürokomplexes, in dem ihr Unternehmen drei Etagen angemietet hatte, ins Freie trat. Der Pförtner wünschte ihr eine gute Nacht und wunderte sich über das strahlende Lächeln, das ihm von der allseits gefürchteten Chefin geschenkt wurde. Er beobachtete, wie die Frau, die hinter vorgehaltener Hand „die Skorpionin“ genannt wurde, in ihren schwarzen Bentley stieg und ihm noch einmal zuwinkte. Heinz Fath glotzte dem wuchtigen Wagen noch lange nach. Was war denn mit der los? Nahm die etwa Drogen? Oder er? Argwöhnisch schielte er zu dem Päckchen Aufgusstee neben seiner Tasse.
Die Frau hinter
Weitere Kostenlose Bücher