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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krämer
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fragten.
    Lieber Gernot
,
    Wieder verschwammen die steilen, sorgfältig ausgerichteten Worte. Sie hatte ihm geschrieben. Sie! Die einzige Frau, die er jemals geliebt hatte.
    Nach all den Jahren des Schweigens. Den Jahren voller Dunkelheit, nur ab und an durchbrochen von kurzen Lichtblicken, bestehend aus jungen, zarten Körpern, bebend in seinen Händen. Vor Angst. Doch das war wohl der Preis, den er für die rauschhaften Momente der Ekstase zu zahlen hatte. Er zwang sich, seinen Atem zu kontrollieren. Schloss die Augen, konzentrierte sich auf den Rhythmus seiner Lungen. Dann las er den Brief. Wort für Wort sog er ihn in sich auf, wie ein Verdurstender das lebenswichtige Nass:
Lieber Gernot
,
    erst vor Kurzem habe ich erfahren, was mit Dir geschehen ist. Ich war schockiert. Auch zunächst abgestoßen. Doch Dich haben andere verurteilt. Andere haben über Dich geschrieben, geredet, Dich verachtet. Andere. Ich habe über Dich nachgedacht. Ich habe gesucht. Ich habe gefunden. Du warst noch nie sehr stark. Dein Körper hat über Dich geherrscht wie ein grausamer Diktator. Du hattest keine Chance gegen diesen mächtigen Herrscher. Als Du mich verlorst, warst Du ihm ausgeliefert
.
    Ich habe Schuld auf mich geladen. Ich konnte Deinen Körper bändigen. Ich habe es genossen. Das Tier in Dir. Alleine frisst es Dich auf. Raubt Dir zuerst die Sinne und dann die Freiheit. Wir sind beide geflohen. Ich vor der Vergangenheit, Du vor der Zukunft. Wir waren feige. Alle beide
.
    Es war der größte Fehler meines Lebens, mich von Dir abzuwenden. Ich verfiel dem Irrtum, nun frei zu sein. Doch ich war gefangen in mir. Eiserne Türen kann man aufschließen. Mauern kann man einreißen, Gitter zersägen. Mein Gefängnis ist absolut. Kein Sprengstoff kann es je zerstören, keine Macht diese Mauern überwinden, außer der Liebe. Einer Liebe, wie ich sie nur einmal im Leben genießen durfte. Einer Liebe, die nie aufgehört hat. Ich war blind damals. Zerfressen von bitterer Trauer, zerrissen von einem unmenschlichen Schicksal. Ich wollte weglaufen vor der Finsternis. Aber ich lief in einen Tunnel ohne Ausgang. Ich weiß, dass auch Du gelitten hast. Doch ich sah es nicht. Sah nur mich und meine Verzweiflung. Nun sind wir beide auf dem Grund dieses Schachtes und kratzen an den Wänden, weil wir glauben, einen fernen Lichtschimmer zu sehen. Alleine werden wir es nicht schaffen. Alleine werden wir sterben

    Der Gefangene ließ den Brief sinken. Seine Hände zitterten, er zog die Nase hoch und blinzelte eine Träne fort.
    Alleine werden wir sterben …
    Seine Augen suchten erneut den Text, seine Lippen sprachen lautlos die Worte mit:
    Wir haben es schon einmal geschafft. Ich habe mich entschieden. Ich kann und will ohne Dich nicht sein. Wenn Du diesen Brief liest, werde ich beginnen, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich werde einen Anwalt aufsuchen. Du kennst ihn gut. Er ist der Richtige für uns. Vertraue mir. Liebe mich. Heirate mich …

    Der dunkle Mercedes hielt mit summendem Motor direkt vor dem Tor. Ein junger Mann im perfekt sitzenden schwarzen Anzug stieg aus und öffnete schwungvoll eine der hinteren Türen. Justizwachtmeister Bach erkannte an den massiven Beschlägen, dass der Wagen gepanzert war. Sicherheitsglas, schussfeste Bereifung und wahrscheinlich noch eine Bodenplatte aus hochvergütetem Stahl. Eine verlängerte Karosserie und ein elektronisches Ortungssystem. Dazu garantiert ein Triebwerk, das dem Zweieinhalbtonner die Fahrleistungen eines Sportwagens bescherte. So etwas fuhren noch nicht mal Bundesminister.
    Bach war informiert worden. Der Wagen war auf die Minute pünktlich. Der Schichtleiter der Torwache hatte seine Kolleginnen und Kollegen gebrieft: keine Mätzchen. Keine Bettelei um Autogramme, keine „Du-und-dein-Star-Fotos“. Das übliche Programm: Ausweiskontrolle, Identifikation, Eintragung ins Wachbuch, Rückfrage in der Sektion. Abholung durch den für Besucher zuständigen Beamten. Die JVA Mannheim briet niemandem eine Extrawurst. Auch nicht einer der reichsten Frauen der Welt.
    Von der verglasten Wachstube aus beobachtete Bach, wie Anna-Sophia Barlow in einer einzigartigen fließenden Bewegung aus dem Auto stieg, dem Fahrer Anweisungen erteilte und die drei Schritte zur Pforte mit einer Anmut zurücklegte, als wäre das rissige Pflaster der Laufsteg einer Prêt-à-porter-Veranstaltung.
    „Atme, Seppl, atme, du bist schon ganz blau“, spottete Gerti Schneibel, seine Kollegin, der junge Neuberger draußen auf

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