Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
Einer, bei dem Serienkiller zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden, wenn die es sich leisten können, Sie zu bezahlen.“ Glimm verzog das Gesicht. Solche Sprüche bekam er viel zu oft zu hören.
„Was kann ich für Sie tun, Frau Barlow?“ Demonstrativer Blick zur Uhr. Wenn dieses Frauenzimmer hier eine Nummer abziehen wollte, hatte sie ihre Zeit verschwendet. Anstatt seine Frage zu beantworten, zückte die Frau ein silbernes Etui, entnahm ihm eine Zigarette und zündete sie mit der Routine der Gewohnheitsraucherin an. Wortlos schob Glimm einen Aschenbecher in die Reichweite ihrer perfekt manikürten Hände.
„Mein zukünftiger Ehemann befindet sich zurzeit in staatlicher Obhut.“ Ihre Augen waren von einem verhaltenen Blau. Kühl und ohne den kleinsten Funken von Gefühl. Organische Kameralinsen, geschaffen für reinen Input. Die Roboteraugen fixierten Glimm, eine wohldosierte Rauchfahne entschwebte den perfekt geformten Lippen. Hinter Glimms unverbindlicher Miene verbarg sich ein schadenfrohes Grinsen. Der Galan saß seine Steuerschulden ab. So ein Pech.
„Sein Name ist Gernot Marks.“ Royal Flush! Glimm war ganz gut im Pokern, doch dieses Blatt schrieb in Blockbuchstaben Erstaunen und Ungläubigkeit in sein Gesicht. Diese Frau, Synonym für die High Society schlechthin, zuhause in den Metropolen dieser Welt, per Du mit Leuten, die selbst Glimm nur aus den Klatschspalten kannte, wollte einen verurteilten Sittlichkeitsverbrecher heiraten. Einen gestörten Pädophilen, der einen Ständer bekam, wenn er kleine Mädchen auf dem Spielplatz beobachtete. Einen gewalttätigen, versoffenen Vergewaltiger. Glimm verachtete Marks aus tiefstem Herzen. Der Anwalt hatte kein Verständnis für Leute, die auf Kinder und ganz junge Mädchen standen. Er verteidigte sie. Mit Verve und unter Einsatz seines ganzen Könnens. Das war sein Job, seine Profession. Doch tief in ihm drinnen blieben sie üble Kreaturen.
Glimm faltete die Hände vor seinem Bauch, ließ seinen riesigen Sessel zurückwippen und beschloss, sich blöd zu stellen: „Es ist sehr wohl möglich, inhaftierte Straftäter zu heiraten. Erst vorigen Monat wurde in Stuttgart-Stammheim eine Ehe geschlossen. Sie können den Antrag beim zuständigen Gericht einreichen. Eine reine Formsache.“
Eine Rauchwolke derart verächtlich auszustoßen, war bestimmt das Ergebnis eines sechswöchigen Seminars an einer bedeutenden Schauspielschule. Dass die Dame kein Botox gespritzt hatte, bewiesen die Falten auf ihrer ansonsten makellosen Stirn, als sie die Augenbrauen hochzog und ihre Mundwinkel sich um wenige Millimeter senkten. Genug, um ihrer Missbilligung angemessen Ausdruck zu verleihen.
„Sie enttäuschen mich“, ihre Augen hinter den halb geschlossenen Lidern erinnerten Glimm nun an die Zieloptik einer Waffe. „Was noch schlimmer ist: Sie langweilen mich. Glauben Sie, ich säße hier vor Ihnen, wenn ich Interesse an einer Heirat hinter Gittern hätte? Denken Sie wirklich, dass ich eine Hochzeitsnacht in der speziellen Zelle für Langzeitbesucher besonders erotisch finde? Ich habe vor, Gernot Marks zu heiraten. Auf dem Standesamt. Wir werden anschließend auf meinem bescheidenen Wohnsitz Waltham-House mit unseren Gästen feiern, bevor ich mit meinem Mann in die Flitterwochen fliege.“
„Da haben Sie ja noch ein wenig Zeit, sich um die Vorbereitungen zu kümmern“, Glimm rechnete in Gedanken nach, „so anderthalb bis zwei Jahre etwa …“ Die Vorstellung, dass Marks im Blitzlichtgewitter der Klatschreporter Anna-Sophia Barlow küsste, um anschließend mit ihr zusammen lächelnd in einer Limousine mit verdunkelten Scheiben zu verschwinden, verursachte dem Anwalt Übelkeit. Dass er maßgeblich dazu beitragen sollte, diese Situation herbeizuführen, trug auch nicht gerade zur Beruhigung seiner Magennerven bei.
Nein. Soll sie sich doch einen anderen Deppen suchen. Einen, dem bei ihrem Anblick der Speichel aus den Mundwinkeln rann. Einen, der sich bei den Reichen und Schönen noch beliebt machen musste, einen wie …
„Dr. Reinolf Zursteegen …“ Rauch. Diesmal nicht verächtlich, sondern überlegen aus dem roten Oval schwellender Lippen strömend. Augen, die belustigt blitzten; Mundwinkel, die in stillem Lachen zuckten.
Teufel, konnte dieses blonde Gift Gedanken lesen?
Anna-Sophia Barlow drückte ihre Zigarette aus und lehnte sich entspannt zurück. Ihre Stimme wurde kalt. Sie würde sich jetzt entscheiden: „Dr. Zursteegen kennt den Fall Marks
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