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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krämer
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Dateien mit illegalen Musikmitschnitten und wahnsinnig spannende Dokus von Vereinsausflügen oder Familienfeiern. Das Gebäude, welches nun grieselig-körnig auf dem Bildschirm zu sehen war, erkannte Hornung mittlerweile auf Anhieb: Ein pittoreskes, Schloss, das leider etwa zwei Kilometer vor der hessischen Grenze lag und nicht zwei Kilometer dahinter.
    Die Aufnahme vibrierte, anscheinend wechselte der Kameramann den Standort. Ein kurzer ruckeliger Schwenk, dann kam das Schloss rasend schnell näher, als stürze man mit einem Flugzeug direkt darauf zu.
    Kant schnalzte anerkennend mit der Zunge, „Da ist sauteure Hardware am Werk. Solche Brennweiten siehst du sonst nur auf dem Fußballplatz.“ Hornung überhörte seufzend das lockere „du“ in der indirekten Ansprache, dann wurde er erneut von der Szene auf dem Bildschirm gefesselt. Das Bild war grünstichig.
    „Nachtoptik“, brummte Kant, „kriegste von den Russen für ne Kiste Wodka.“
    Die Auflösung war verheerend, doch das Motiv unverkennbar: Zwischen zwei Pfählen hing etwas Menschenähnliches. Ein undeutlicher weißer Schemen bewegte sich davor hin und her. Die Kamera zoomte noch näher. Jetzt war wohl die interpolierte Brennweite am Werk. Hornung war heilfroh über das schlechte Bild. Er hatte noch nicht gefrühstückt und die Bilder und Berichte seiner Untergebenen hatten ihm vollauf gereicht.
    Die Haare auf seinen Armen richteten sich auf, als der verschwommene Körper sich plötzlich bewegte. „Mein Gott, sehen Sie, er lebt noch …“ flüsterte er heiser. Der weiße Schatten war nun direkt unter dem Körper des Opfers, das sich wand und zuckte. „Kant, was schauen wir uns hier an?“
    „Es hat fünf Sterne und bis jetzt über zwanzigtausend Aufrufe. Den Leuten scheint es zu gefallen“, brummte der Hüne und richtete sich aus seiner gebeugten Haltung auf, dass die Knochen knackten.
    „Seit wann ist das da drauf?“, keuchte Hornung.
    „Seit gestern Mittag, 12:33 Uhr. Eingestellt über ein Internetcafé in Warschau. Da ist einer ganz gewieft.“
    „Geben Sie das unverzüglich an die KTU. Veranlassen Sie augenblicklich, dass der Betreiber das Ding aus dem Netz nimmt!“
    „Schon passiert, Chef. Die Jungs von der Internetkriminalität hocken dran, außerdem habe ich einen befreundeten Kameramann vom SWR angerufen. Der kann vielleicht Angaben zur Kamera und zu den verwendeten Brennweiten machen. Ein Team vor Ort erkundet gerade mögliche Aufnahmestandorte. Youtube hat zugesagt, die Datei zu löschen, doch sie können nicht verhindern, dass einzelne User Kopien davon erneut in Umlauf bringen. Ich fürchte, das Ding wird noch zum Video der Woche.“
    „Wer immer das gedreht hat. Es war keiner von uns.“ Deutliche Erleichterung schwang in Ulf Hornungs Worten mit.

    Zwei Monate später.
    Sie wollte ihre Strafe absitzen. Mit der Genugtuung, das Richtige getan zu haben, hinter Gittern ihren Frieden finden. Stattdessen saß sie hier als Untersuchungshäftling zusammen mit Nutten, Dealerinnen und allem möglichen gesellschaftlichen Bodensatz, und es gab noch nicht einmal einen Termin für den Prozess. Post bekam sie jeden Tag. Stapelweise. Die Prüfer in der Poststelle schienen nur für sie da zu sein. Anwälte aus aller Herren Länder rissen sich darum, ihr Mandat zu übernehmen. Kostenfrei. Die Schlächterin von Waltham-House war der Turbolader für jede hoffnungsvolle Karriere. Sie warf die Briefe ungelesen weg. Sie hatte einen Anwalt. Einen vor Verlegenheit stotternden Pflichtverteidiger, der aussah wie sechzehn, Angst vor ihr hatte und bei ihrem ersten Treffen als Allererstes um ein Autogramm bat.
    Das war genau der Richtige. Sie wollte endlich ein Urteil. Wollte das Lebenslänglich aus dem Munde eines Richters oder einer Richterin hören und das ihr zustehende letzte Wort sagen: „Es ist alles bezahlt“. Sie wollte weder mildernde Umstände noch Mitleid. Ihre Aufgabe war erfüllt. Alles war getan. Niemals wieder würde sie eine Tochter wie Caprice haben. Kein anderes Kind könnte jemals deren Stelle einnehmen. Anna-Sophia Barlow würde am Ende ihres Lebens zu Staub zerfallen oder zu Asche verbrennen. Nichts von ihr würde ewig leben.
    Heute war Dienstag. Besuchstag. Hans Mortella würde um 15:00 Uhr im Besucherraum auf sie warten. Ihr Anwalt. Der Konfirmand mit den Hochwasserhosen, den weißen Socken und dem Wurstnamen. Mortella, Mortadella, sie musste nicht lange überlegen, wie sie ihn wohl in der Schule damit aufgezogen hatten. Hans

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