Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
Straßenglätte am frühen Abend waren aufgenommen worden, die Kollegen waren in ihren Dienstzimmern und erledigten den Papierkram oder saßen im Bereitschaftsraum vor der Glotze. Ein Fahrzeug war noch draußen, um einen Bauern zu sichern, der seinen entlaufenen Zuchteber Fridolin in den heimatlichen Stall trieb.
Zu dieser Uhrzeit und bei diesem Wetter hielt sich nur draußen auf, wer unbedingt musste. Einbrecher hassten Neuschnee wegen der Spuren, und die herzallerliebsten Kleinkriminellen saßen auch lieber vor Mutters Kachelofen und planten neue Taten.
Es versprach eine ruhige Nacht zu werden. Dienstgruppenleiter Hainbacher überlegte gerade, ob er noch eine Schokoladenkugel aus der von Weihnachten übrig gebliebenen Tüte essen sollte, als das Telefon klingelte. Gleichzeitig leuchtete die rote Lampe über der 110.
Mist. Ein Notruf. Hainbacher rückte das Mikrofon zurecht und schaltete den Lautsprecher ein. Vielleicht war es ja bloß wieder die alte Frau Zimmermann, die ein Schwätzchen halten wollte. Die Gute wurde nächste Woche zweiundneunzig und jeder Erklärungsversuch, dass diese Nummer nur für Notfälle gedacht war, traf bei ihr auf taube Ohren. Jeder andere Versuch auch, denn die alte Dame war tatsächlich fast taub.
Die Stimme der Anruferin war nicht die der alten Bäuerin …
Polizeikommissar Hainbacher vergaß augenblicklich die Schokoladenkugel, als die kultivierte Frauenstimme in lupenreinem Hochdeutsch zwei Morde meldete. Nachdem sie noch eine Ortsangabe gemacht hatte, legte die Anruferin wieder auf. Hainbacher hatte noch nicht einmal eine einzige Frage stellen können.
Sie habe gerade zwei Menschen getötet … Der Dienstgruppenleiter fröstelte. Beiläufig, fast amüsiert hatten diese Worte geklungen, gerade so als hätte sie eine Bemerkung über das Wetter oder sonst was gemacht: „Ach ja, ich habe heute die Goldfische gefüttert …“
Ein übler Scherz? Hainbacher war viel zu lange Polizist, um auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden. Die Frau meinte das ernst. Todernst. Wenigstens hatte er ihren Namen und den Ort. Waltham-House. Hainbacher kannte das Schloss weit draußen im Wald. Gerne wanderte er mit seiner Frau in der ruhigen einsamen Gegend dort oben.
Er gab die Daten in eine Maske des Computersystems ein, speicherte sie und griff zum Telefon. Waltham-House gehörte gemeinderechtlich zu Mudau. Zuständig war das Polizeirevier in Buchen.
Der dortige Kollege versprach, sofort eine Streife und einen Notarztwagen zum Schloss zu schicken und Hainbacher auf dem Laufenden zu halten.
Hainbacher funkte seine eigene Streife an und erhielt die Auskunft, dass der reisefreudige Eber gerade wieder hinter Schloss und Riegel gebracht worden war. Der Dienstgruppenleiter schickte die beiden Kollegen ebenfalls zum Schloss. Doppelmord. Da kann Verstärkung nicht schaden. Außerdem erfuhr er dann aus erster Hand, was da tatsächlich los war.
Entgegen landläufiger Meinung raste die Polizei nicht mit quietschenden Reifen und gellendem Martinshorn zum angegebenen vermeintlichen Tatort. Bei der herrschenden Wetterlage hätte das ganze Konzert erstens nichts gebracht, und zweitens gab es unterwegs so gut wie niemanden, den man aus dem Wege scheuchen müsste. Drittens, konnte es sich auch nur um einen üblen Scherz handeln.
Die Besatzung des vierradgetriebenen Opel Frontera des Polizeireviers Buchen traf als erste am Schloss ein. Im ersten Stock brannte Licht, deshalb ging man den üblichen Weg und klopfte an der Eingangstür. Nachdem niemand darauf reagierte, beschlossen die Beamten auf weitere Kräfte zu warten. Nach zehn Minuten trafen die Kollegen aus Mosbach ein und man klopfte nochmals. Als es auch weiterhin still blieb, teilten sich die Polizisten auf und sicherten das Gebäude.
Der bedauernswerte Uwe Wiesner, seit vier Wochen Polizeimeister, dem auch die Uniform nichts von seiner Konfirmandenaura nehmen konnte, entdeckte Marks‘ Leiche im Garten. Die resolute Polizeikommissarin Angela Harres kümmerte sich um den einem Zusammenbruch nahen jungen Kollegen, während die anderen Polizisten nun auf das Heftigste Einlass begehrten. Als im Inneren des Gebäudes Schüsse zu hören waren, schlug einer der Buchener Beamten kurzerhand das neben dem Eingang gelegene Fenster ein, kletterte hinein, sicherte rasch den Raum und öffnete die Tür. Wie im Lehrbuch trennten sich die beiden, nutzten jede Deckung und kontrollierten sämtliche angrenzenden Räume.
Schließlich standen sie vor der
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