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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krämer
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anschließend einen Eimer Eiswasser übergekippt. Sie hatte ihn erschossen! Diesen feisten Kerl, der Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder vertrat. Sie hatte ihn vernichtet. Hatte dafür gesorgt, dass diese Lippen niemals wieder Worte hervorbringen konnten, die diesem Abschaum Strafmilderung oder gar Freispruch verschafften.
    Kraftlos ließ sie sich auf den ebenfalls verschraubten Stuhl sinken.
    „Was machen Sie hier? Was wollen Sie? Wo ist mein Anwalt?“ Als Antwort legte Glimm eine speckige braune Aktentasche auf den Tisch, die an manchen Nähten mit Nieten geflickt war. Eine italienische Forzieri mit der Patina unzähliger Prozesse, Verfahren und Anhörungen.
    „Ihr … Anwalt …“, Glimm sprach das Wort aus, als sei es ein obszöner Ausdruck, „hat sich freundlicherweise bereit erklärt, diesen Termin an mich abzutreten. Ein netter Kerl, etwas überfordert, etwas unerfahren, aber lieb.“
    Anwälte, insbesondere Strafverteidiger durften alles Mögliche sein: ungehobelt, exzentrisch, versnobt, arrogant, überheblich, Arschlöcher. Alles, nur nicht „lieb“. „Lieb“ war tödlich, vernichtend, erfolglos. Hans Mortella war lieb.
    „Ich bin hier, weil ich denke, Sie benötigen in Ihrer Situation vielleicht einen guten Verteidiger.“
    Die dunklen Augen des Anwalts ruhten auf ihr. Der Mann wirkte völlig entspannt. Ein Buddha, der kontemplative Ruhe und Freundlichkeit verströmte wie ein nie versiegender Quell.
    Ihre Brust hob sich, als sie den längst überfälligen tiefen Atemzug tat. Sie hatte ihn verfehlt! Sie, die Landesmeisterin, die einen Vierteldollar exakt mittig durchlöcherte, wenn ihn ein normaler Mensch fast nicht mehr sehen konnte. Der Wein. Wirklich? Der Wein und der Rausch des Tötens Stunden vorher. Tatsächlich? Ganz gleich, was die Ursache für diese jämmerlichen Fahrkarten war, Glimm lebte. Das Schwein, das Partei ergriff für den übelsten Abschaum, den die Menschheit jemals hervorgebracht hatte, der flammende Plädoyers in Gerichtssäle schmetterte, dass die Scheiben klirrten, der mit Richtern, Staatsanwälten und Gutachtern jonglierte wie ein Varietékünstler. Er hatte den Tod verdient. Hundertfach! Oder nicht?
    Wenn sie schoss, um zu töten, dann gelang ihr das mit der ersten Kugel. Wollte sie den Verteidiger des Mörders ihrer Tochter vielleicht gar nicht töten? Warum hatte sie so jämmerlich versagt? Tief in ihrem Kopf versuchte die Antwort sich aus der finsteren Umarmung ihrer Gedanken zu befreien. Faszination, Leidenschaft, Liebe?
    NIEMALS!
    Zum Teufel mit dem Wurstanwalt.
    Da hockte Stephan Glimm in seinem Scheißrolli, roch nach teurem Aftershave und stiftete Unruhe in ihrem Kopf. Es war der Kuss. Jetzt fiel es ihr wieder ein. Der Kuss auf der nachtdunklen Terrasse, der nach Tabak und Wein schmeckte und nach etwas, das sie schon seit unendlicher Zeit nicht mehr gespürt hatte. Das war der Auslöser. Was passierte gerade mit ihr? Brauchte sie tatsächlich einen guten Verteidiger?
    Nein. Alles war bezahlt.
    Ja. Es gab noch etwas zu tun. Eine Rechnung war noch offen.
    Anna-Sophia hatte sich entschieden. Sie brauchte einen Verteidiger. Den Besten. Stephan Glimm.

    Sechs Wochen später.
    Den Krückstock hatte Glimm an der Pforte abgeben müssen. Schade. Eigentlich brauchte er ihn fast gar nicht mehr, der Bauchsteckschuss verheilte zufriedenstellend und er hatte als Folge des langen Krankenhausaufenthaltes auch ordentlich Gewicht verloren. Aber der edle Wurzelholzstock verlieh ihm etwas von der Aura eines Weisen. Man konnte sich herrlich damit in Positur werfen, konnte mit ihm auf den Boden donnern wie ein Zeremonienmeister, und man konnte sich resigniert darüber zusammenkrümmen. Alles Dinge, mit denen der Jurist spielte wie ein Maestro auf seinem Flügel.
    Vorsichtig ließ er sich auf dem knarrenden Besucherstuhl nieder. Ein Wetterumschwung. Die geprellte Rippe piekste in seinem gewaltigen Brustkorb.
    Wenig später wurde Anna-Sophia Barlow hereingeführt. Sie war ungeschminkt, trug Jeans, flache Ballerinas und einen bequemen Pulli. Das Haar war zu einem strengen Knoten zurückgebunden. Eine Reitlehrerin. Die Wirtin eines Ausflugslokals. Eine Frau, die Urlaub in klapprigen VW-Bussen macht. Auf den ersten Blick vielleicht. Trotz der flachen Schuhe, oder gerade deshalb, wirkte sie beindruckend groß. Die legere Kleidung konnte die aristokratische Haltung, das vorgestreckte energische Kinn und den abschätzenden Blick nur unzulänglich mildern. Glimm sagte sich, dass diese Frau

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