Skulduggery Pleasant 6 - Passage der Totenbeschwörer
Kranz war der Letzte von Cravens Kollegen, der Allerletzte, den er sich als Zeuge dieser dauernden Herabwürdigung gewünscht hätte. Der berüchtigte Agent im Außendienst und notorische Unruhestifter stand da in seinem maßgeschneiderten schwarzen Anzug, während alle anderen hochrangigen Kleriker die üblichen Totenbeschwörer-Roben trugen.
Ganz tief in seinem Herzen hatte Craven einen speziellen Platz für den Hass auf Solomon Kranz reserviert.
»Ich glaube, Walküre schafft bald den Durchbruch«, verkündete Kranz. Craven riss erschrocken die Augen auf. »Sie wird mit jeder Unterrichtsstunde besser, macht riesige Fortschritte und kommt immer schneller voran. Wenn sie so weitermacht, bin ich zuversichtlich, dass sie sich nicht für Elementemagie, sondern für das Totenbeschwören entscheiden wird, wenn das Aufwallen der Kräfte einsetzt.«
Tenebrae nickte. »Und wie reagiert Pleasant darauf?« Kranz erlaubte sich ein Lächeln. »Sie haben lange genug darüber diskutiert, deshalb sagt er im Moment gar nichts. Er vertraut darauf, dass sie ihren eigenen Weg findet, und das tue ich auch. Nur denke ich, dass ihr Weg auch unser Weg ist.«
»Und du siehst keine Gefahr für sie da draußen, wenn Lord Vile frei herumläuft?«
Kranz zögerte. »Ich glaube nicht, dass sie besonders gefährdet ist. Außerdem wurde Vile seit seinem Angriff auf Pleasant im Sanktuarium nicht mehr gesehen. Kann ja sein, dass er geschworen hat, den Todbringer umzulegen, aber so viel wir wissen, kommt er nicht mehr zurück.«
Craven hüstelte und wartete, bis sie ihn anschauten. »Verzeiht mir«, begann er, »aber ich sehe in all dem keine nennenswerte Entwicklung. Wir sind nicht alle der Ansicht, dass Walküre Unruh der Todbringer ist, Kleriker Kranz. Einige der hier Anwesenden glauben, dass sie lediglich ein ganz gewöhnliches Mädchen ist.«
»Ganz gewöhnlich?«, echote Kranz. »Dieses Mädchen wird in wenigen Monaten siebzehn und hat bereits die Welt gerettet und einen Gott getötet. Und was hast du getan?«
Tenebrae lachte in sich hinein. Craven bebte vor Zorn. »Was ich sagen wollte, ist Folgendes: Sie mag zwar alle Voraussetzungen für eine gute Zauberin haben, doch ich bin noch nicht davon überzeugt, dass sie je die Kraft haben wird, unser Todbringer zu werden und die Passage einzuleiten. Und selbst wenn sie dieses Potenzial hat, ist sie, wie du gesagt hast, noch keine siebzehn Jahre alt. Das Aufwallen der Kräfte wird sich erst in drei oder vier Jahren einstellen. Sollen wir vier Jahre lang warten, bis wir wissen, ob sie möglicherweise stark genug ist?«
»Hast du eine Alternative zum Warten?«, fragte Kranz. »Hat jemand eine Zeitmaschine erfunden, als ich grade mal nicht aufgepasst habe?«
»Dein Sarkasmus in Ehren, aber ich halte es für einen Fehler, allzu viel Hoffnung auf ein Mädchen zu setzen, das so stark unter dem Einfluss von Skulduggery Pleasant steht. Außerdem haben wir jede Menge Kandidaten aus unseren eigenen Reihen. Meinen Schützling zum Beispiel. Ich bin der Überzeugung, dass Melancholia St. Clair eindeutige Anzeichen von -«
»Melancholia?«, unterbrach ihn Tenebrae. »Du versteifst dich immer noch auf sie? Kleriker, dieses Mädchen hat in meinen Augen absolut nichts Besonderes. Die einzige außergewöhnliche Fähigkeit, die sie besitzt, scheint mir die zu sein, außergewöhnlich verärgert dreinzuschauen, wann immer ich ihr begegne. Was jetzt schon etliche Monate nicht mehr der Fall war.«
»Verzeiht, Hohepriester, aber als ihr persönlicher Tutor habe ich viel Zeit mit ihr verbracht und ich denke, sie könnte diejenige sein.«
Tenebrae lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Du erteilst ihr Nachhilfeunterricht?«
»Jawohl, Hohepriester.«
»Aber ich dachte, sie sollte alle anderen überragen.« Tenebrae lachte, Kranz feixte. Craven wurde feuerrot, dennoch brachte er ein dankbares Lächeln zustande.
»Mir ist es gleichgültig, womit du deine Zeit verschwendest«, meinte Tenebrae und wedelte mit der Hand, »doch im Augenblick scheint Unruh unsere einzige erfolgversprechende Anwärterin zu sein. Kein anderer Tempel auf der ganzen Welt hat lohnenswerte Kandidaten. Aller Augen sind auf uns gerichtet. Ich hoffe, sie enttäuscht uns nicht, Kleriker Kranz.«
»Das hoffe ich auch, Eure Exzellenz.« Anstatt sich zu verbeugen, nickte Kranz nur. Tenebrae schien sich nicht daran zu stören.
Craven stürmte in die Tiefen des Tempels. Im Kopf ging er die ganze Unterhaltung noch einmal durch und ersetzte das,
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