Skulduggery Pleasant 6 - Passage der Totenbeschwörer
gelogen, weshalb sollte es in diesem Fall anders sein?«
»Jetzt wird es interessant«, meinte Skulduggery. Tenebrae schaute Walküre an. »Er trägt ziemlich viel Wut mit sich herum, nicht wahr? Deshalb haben seine Feinde wahrscheinlich so viel Angst vor ihm. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass du nur deshalb noch am Leben bist. Verstehe mich nicht falsch, Walküre - du entwickelst dich zu einer fähigen Zauberin und ernst zu nehmenden Gegnerin. Aber es gibt jede Menge Leute, die dich liebend gern umbringen würden und das auch relativ problemlos tun könnten. Die Vorstellung allerdings, dass sie damit den Zorn des Skelett-Detektivs auf sich ziehen würden, ist in meinen Augen der einzige Grund, weshalb du noch atmest. Ich hoffe, du bist jetzt nicht eingeschnappt.«
Walküre erwiderte seinen Blick, sagte jedoch nichts. »Aber es gibt einen verbreiteten Irrglauben, den wir hier und jetzt richtigstellen müssen«, fuhr Tenebrae fort. »Der Legende nach wurden Skulduggerys Frau und Kind ermordet und er ist zurückgekommen, angetrieben von Wut und dem Wunsch nach Rache. Eine nette Geschichte. Romantisch, beeindruckend. Sie erfüllt alle Kriterien einer wahren Legende. Die einzig fehlende Zutat ist natürlich die Wahrheit.«
»Bitte kläre uns auf«, forderte Skulduggery'.
»Du warst schon immer voller Wut«, antwortete Tenebrae. »Als du noch am Leben warst, hast du diese Tatsache einfach nur besser verborgen, vor deiner dich liebenden Frau und deinem dich liebenden Kind. Aber auf dem Schlachtfeld habe ich sie gesehen. Dort hast du sie herausgelassen. Dort hast du dein wahres Ich in Erscheinung treten lassen.«
»Dazu muss ich dir leider sagen, Auron, dass Amateurpsychologen mich nicht beeindrucken.«
»Das hätte ich auch nicht erwartet, aber ich habe Beweise. Ich hatte eine Theorie und ich habe sie geprüft und mein Verdacht wurde bestätigt. Walküre, Solomon Kranz hat mir berichtet, dass du, als du gegen die Gesichtslosen gekämpft hast, seinen Stock benutzt hast. Ist das richtig?«
»Ja«, bestätigte Walküre. »Er hat gesagt, ich soll ihn nehmen.«
»Natürlich hat er das. Hätte er dir die Erlaubnis dazu nicht gegeben, hätte dich die dem Stock innewohnende Kraft im selben Moment umgebracht, in dem du versucht hättest, ihn zu benutzen. Du hast diesen Stock genommen und die Kraft der Totenbeschwörer instinktiv und ohne Training eingesetzt. Kranz hat deshalb eine große Begabung in dir gesehen. Dieselbe Begabung übrigens, die ich vor Jahren in Skulduggery gesehen habe.« Skulduggery legte den Kopf schief. »Wovon redest du?«
»Weißt du noch, damals in Preußen? Es war ein paar Monate nach deiner Hochzeit. Mevolents Leute hatten den Tempel überfallen, in dem ich studierte. Ich war einer der wenigen Überlebenden. Wir haben uns mit dir und deiner Mannschaft zusammengetan und haben das Überfallkommando durchs Gebirge verfolgt.«
»Ich erinnere mich«, sagte Skulduggery. »Wir haben sie erst nach drei Wochen eingeholt. Morwenna Crow war damals dabei.«
»Richtig. Meine liebe Morwenna. Die einzige Totenbeschwörerin im Rat der Ältesten.«
»Ich habe mich die meiste Zeit mit ihr unterhalten. Wir beide, du und ich, haben, glaube ich, keine fünf Worte miteinander gewechselt.«
Tenebrae nickte. »Sie gehörte zu den engsten Freunden, die ich je hatte.«
»Mir kommen gleich die Tränen.«
Tenebrae lachte. »Wie auch immer, wir haben das Überfallkommando verfolgt und eingeholt. Wir haben auf den richtigen Moment gewartet und dann angegriffen. Ich wurde im Kampf verwundet. Du wurdest verwundet. Wir alle wurden verwundet, aber wir haben nicht aufgegeben. Mir war der Dolch aus der Hand gefallen, in dem meine Kraft steckte. Ich blutete und war kampfmüde. Der Dolch lag knapp außerhalb meiner Reichweite und da kam das größte Ungeheuer, das ich je gesehen hatte, auf mich zugetrottet. Vier Meter groß, grüne Haut, Lederkleidung und mit Hauern so dick wie mein Arm.«
»Er war gerade mal halb so groß«, korrigierte Skulduggery, »und er hatte keine Hauer, sondern lediglich saumäßig schlechte Zähne. Außerdem war er kein Ungeheuer. Er hieß Jeremy.«
»Du kannst einem wirklich jede gute Story vermiesen«, grollte Tenebrae. »Ich lag auf dem Rücken und habe aufgeschaut. Da ist er mir wie ein vier Meter großes Ungeheuer vorgekommen. Dass er eine riesige Axt schwang, kannst du aber nicht bestreiten.«
»Sie war groß«, gab Skulduggery zu.
»Eine größere hatte ich in meinem ganzen
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