Skulduggery Pleasant 6 - Passage der Totenbeschwörer
auf sie zuflog. Sie schrie auf und es gelang ihr gerade noch, die Spitze abzulenken. Wieder und wieder griff er an und sie wich jedes Mal stolpernd aus. Das Haar hing ihr ins Gesicht, während sie gejagt wurde wie ein Stück Wild. Die Schatten, die Walküre auf den Boden gedrückt hatten, waren verschwunden und sie stand auf und verfolgte das Schauspiel.
»Hilf mir!«, rief Melancholia. »Du kannst doch nicht zulassen, dass er mich umbringt! Bitte!«
Der Todbringer bettelte um Hilfe. Die einzige Person, die die Macht und den festen Willen hatte, dreieinhalb Milliarden Menschen umzubringen, bettelte darum, dass jemand ihr beistand und sie rettete. Walküre dachte nicht daran, es zu tun. Sie konnte es nicht. Sie musste zulassen, dass Vile sie umbrachte. Es war die einzige Möglichkeit, Milliarden Leben zu retten.
»Walküre!«, rief Melancholia. »Bitte hilf mir!«
Und plötzlich rannte Walküre. Sie rannte direkt auf Lord Vile zu, während alles in ihr schrie, sie solle stehen bleiben. Doch ihr Körper lief weiter, er wollte nicht auf sie hören, und Lord Vile wedelte mit der Hand und sie flog nach hinten durch die Luft. Beim Drehen sah sie unter Melancholias Robe Schatten hervorwachsen. Dann spürte sie, wie die Luft um sie herum sich veränderte. Ihre Flugbahn änderte sich und sie fiel gegen Skulduggery. Der wankte leicht, als er sie auffing.
Melancholias Schatten sprangen Lord Vile an. Aus seiner Rüstung wuchsen dunkle Bänder, die jeden einzelnen abfingen. Melancholia erhob sich wieder und stand jetzt vor Vile, nur eine knappe Armeslänge von ihm entfernt. Die scharfen, gezackten Schatten schossen aus ihnen heraus, drängten zurück und verteidigten. Es wurden immer mehr und sie schossen aus sämtlichen Körperteilen. Schon nach kurzer Zeit glichen die beiden zwei seltsamen Insekten, vielleicht auch Krabben, die mit einer ständig wachsenden Zahl von Waffen aufeinander losgingen.
Melancholia lächelte. Ihr blondes Haar verdeckte einen Großteil ihres Gesichts, aber sie lächelte ganz eindeutig. Und dann sah Walküre auch, weshalb. Ihre Schatten wurden fester, länger, und Vile wurde zurückgestoßen. Er war schließlich nicht vollständig. Er war lediglich die Rüstung von Lord Vile, der Gegenstand, an dem sich Skulduggerys frühere Totenbeschwörer-Kräfte festgemacht hatten und der jetzt wieder handlungsfähig geworden war. Hätte Skulduggery in der Rüstung gesteckt, wäre er ein ebenbürtiger Gegner für den Todbringer gewesen. Doch die Rüstung war leer und der Todbringer merkte gerade, wie mächtiger war.
Die Schatten hinter Melancholia fuhren in ihren Körper und traten aus dem Brustkorb wieder aus. Sie krachten in Vile und schoben ihn auf eine Tür zu. Er wurde mit solcher Wucht dagegen gedrückt, dass das Holz splitterte und sie aus den Angeln gerissen wurde. Die Schatten zogen sich in Melancholia zurück. Diese drehte sich lächelnd zu Walküre und Skulduggery um.
»Ihr habt mir das Leben gerettet«, sagte sie lachend. Sie zog die Schatten näher zu sich heran und verschwand in dem Moment, in dem Vile sich aus der Dunkelheit heraus auf sie stürzte. Er hatte nichts als Luft in der Hand.
Skulduggery' stellte sich schützend vor Walküre. »Aufhören«, befahl er. »Auf der Stelle.«
Lord Vile, die Rüstung, wandte sich ihm zu.
»Ich will, dass du verschwindest«, verlangte Skulduggery. »Du bist ein Teil von mir und ich will, dass du verschwindest. Ich habe mich schon vor langer Zeit von dir verabschiedet und ich lasse nicht zu, dass das jetzt wieder weitergeht. Deine Zeit ist abgelaufen.«
Vile jagte einen Schatten in ihn hinein.
»He!«, protestierte Walküre. »He! Was zum Teufel machst du da?«
Vier Schattenspeere wuchsen aus Viles Kopf. Walküre drehte sich um und rannte davon. Sie schossen auf sie zu und sie machte einen Sprung zur Seite. Bis auf einen verfehlten alle Speere sie. Der letzte prallte am Rücken ihrer Jacke ab. Im Fallen drehte sie sich um ihre eigene Achse.
Sie hörte Geschrei. Die Barrikaden waren durchbrochen worden. Funktionäre des Sanktuariums stürmten den Tempel. Vile legte den Kopf schief, genau so, wie Skulduggery es immer tat. Dann wirbelten die Schatten hoch und er verschwand.
[Menü]
EINE SCHLIMME NACHT IN HAGGARD
Walküre saß vornübergebeugt auf einem umgestürzten Grabstein, die Hände in den Taschen und den Blick auf den Boden gerichtet. Die Tempeltüren standen offen. Es herrschte ein reges Kommen und Gehen von Sensenträgern und Zauberern. Noch
Weitere Kostenlose Bücher