SLAM (German Edition)
zurück in sein altes Leben. Erschöpft kroch er weiter und weiter auf allen vieren hinter Hayat her, bis sie in eine Kam mer kamen, in der er sich augenblicklich fühlte wie in einer warmen Höhle. Von hier gingen keine Tunnel mehr ab. Eine einzelne ovale Tür störte die perfekte Ebenmäßigkeit der glatten Wände. Hayat blieb davor stehen und wartete, bis Karim aus dem Schacht gestiegen war.
» Wir sind da. Ich werde dir jetzt etwas zeigen, das für dich nur schwer zu verstehen sein wird. Ich habe selber lange gebraucht , um zu begreifen, was hier vor sich geht , und ich habe noch lange nicht alles verstanden. Wenn wir jetzt dort hine ingehen, bleib dicht bei mir.«
Ka rim nickte. Es war für ihn unvorstellbar , dass jetzt etwas kommen könnte, das ihn mehr ängstigen würde , als all das, wa s er ohnehin schon erlebt hatte. S ein Horizont für unangenehme Überraschungen war in den letzten Stunden dergestalt erweitert worden, dass er es nicht für möglich hielt, von irgendetwas überwältigt werden zu können .
Als Hayat schließlich die Türe öffnete, bereute e r diese Überheblichkeit sofort.
14
V or ihnen schwebte ein schier unendlich scheinender, schmaler Metallsteg über einem Abgrund. Hayat nahm Karims H and und zog ihn hinaus. Die Tür schloss sich unhörbar hinter ihnen. Mit vor Staunen heruntergeklapptem Unterkiefer ließ Karim sich auf die Rampe geleiten, in Richtung einer kleinen Plattform in der Ferne, von der aus wiederum sternförmig weitere Stege zu Seitenw ände n des Gewölbes führten.
Alles um sie herum waberte in einem warmen, von dünnen Lichtlanzen durchsiebten R osa, und nur langsam begriff er, dass sie sich im Innern einer überdimensionalen Kugel befanden. Die Ausmaße dieser Kugel waren derart gewaltig, dass Karim glaubte, es würden die höchsten Skylines, die er je gesehen hatte, mehrmals hineinpassen. Er wähnte sich wie im Bauch eines Planeten. An den gewölbten Wänden leuchteten unzählige Lichter wie Sterne am Nachthimmel. Das Vibrieren war hier deutlicher zu spüren als auf dem ganzen Weg zuvor , und ein monotones Geräusch gleich einem Herzschlag durchdrang die ansonste n stille Ästhetik des Gewölbes.
Karim überkam eine Ruhe, wie er sie lange nicht mehr gespürt hatte, ein schmerzlich vermisstes Gefühl von Geborgenheit und Frieden durchflutete ihn. Entspannt verfolgte er große amorphe Gebilde, die Schäfchenw olken gleich durch diesen Ball aus milder Helligkeit schwebten, lautlos und mit schwereloser Eleganz. Unendlich sanft bewegten sie sich auf eines der Lichter an den Wänden zu, verharrten dort kurz, ihr orange ne s Pulsieren wurde stärker, dann machte sich der große, leuchtende Wattebausch wieder auf den Weg durch die enorme Weite dieses friedlichen Runds.
Karim hätte ewig hier bleiben können, umgeben von dumpfen T önen und fahlem Licht, aber Hayat stieß ihn grob an und holte ihn zurück in die Wirklichkeit.
»W as sagst du dazu?«, wollte sie wissen.
Er strahlte sie dankbar an. »Das hier ist einer der schönsten Orte, die ich jemals g esehen habe. Er ist so . .. « , er suchte nach Worten, um die Freude zu beschreiben, die vo n ihm Besitz ergriffen hatte, » … w underbar. So friedlich. So einzigartig « .
Hayat musterte ih n mit einem abschätzigen Blick. »Hast du was an den Augen ? «, herrschte sie ihn an. » Einzigartig ist der Laden vielleicht – aber wunderbar? Schau genau er hin! Nennst du das wunderbar ?«
Zunächst verstand er nicht, was sie meinte. Er empfand es fast als störend, das s sie ihn aus dieser idyllischen Betrachtung herausgerissen hatte, und wollte sie wegschieben. A ber ihre Frage führte dennoch dazu, dass er tatsächlich genauer hinsah. A ls er seine Augen zusammenkniff , gewannen d ie hellen Punkte an Kontur , und er konnte erkennen, was dort an den Wänden in Wirklichkeit wie Sterne funkelte . Es handelte sich dabei um unzählige gläserne Kokons und in diesen Kokons schwammen menschliche, nein, weibliche Körper, nackt in einer rosafarbenen Flüssigke it wie Präparate in einem Labor. Die Augen dieser Frauen waren geschlossen, als schliefen sie, ihre Bäuche aufgetrieben und zum Bersten gespannt. Aus vielen S tellen ihrer reglos schwebenden Körper ragten Schläuche hervor , die an der Obers eite des jeweiligen Kokons zusammenliefen.
Karim beugte sich über die Brüstun g der Plattform, um noch mehr Details zu erfassen , und was er jetzt dort erblickte, erfüllte ihn mit ein em unsagbaren Grau s en,
Weitere Kostenlose Bücher