SLAM (German Edition)
wartete ab.
E in befreiter Seufzer entfuhr BEY, als er seine Lippen auf Karims Mund presste .
Kaum hatten sich ihre Lippen berührt, erstrahlte der Weise , eine Welle reinen Lichts ergoss sich aus seinem sterbenden Körper, suchte ihren Weg in Karims geöffneten Mund, strömte in ihn hinein und füllte ihn aus. Immer intensiver wurde die Helligkeit , drängte sich in Karims Leib , füllte ihn mit der Energie einer jahrtausendealten Seele, mit Erkenntnis, Wissen, Trauer und Freude. Karim prallte zurück, aber sein Freund klammerte sich mit aufgerissenen Augen an ihn, hielt ihn fest. Er keuchte , überwältigt von de n Bildern und Gefühlen, die sich w ie ein Sturzbach in ihn ergossen .
„Karim, nun bist du BEY, du bist der Herr!“ , hörte er eine ersterbende Stimme in sich se lbst und überall um ihn herum. Der Strom purer Energie schüttelte ihn, machte ihn bl ind und taub für seine Umgebung. Bilder prass elten unablässig auf ihn wie Regentropfen in einem Sturm. Gesichter , Gerüche und Empfindungen tauchten auf und versc hwanden wieder. Tränen liefen über sein Gesicht, er lachte und weinte zugleich, konnte nicht denken und dachte doch die ganze Welt in einem Augenblick.
Der Körper des alten Mannes wurde fadenscheiniger, die aus ihm strömende Helligkeit saugte die zarte Struktur aus , z erriss sie in Fetzen und ließ sie zer gehen wie morgendlichen Nebel. Zurück blieb nur das grelle, pulsierende Licht, das jede Zelle Karims eingen ommen hatte und ihn selbst und alles in seiner Umgebung in ein Inferno verwandelte. Sein Körper sc hien zu klein für so viel Reinheit, Güte und Wissen, die Erkenntnis ungezählter Leben, Geburten und Tode. Sein Schrei durchbrach die Stille im „ Herz des Wissens “ , hinter seinen geschlossenen Augen flimmerte es, jedes Molekül barst vor unbändiger Dynamik , ungezügelt und frei. Der Geist von BEY vermischte sich mit seinem eigenen, bereicherte ihn, dehnte ihn aus, bis er glaubte, an die Grenzen des Unvorstellbaren ge stoßen zu sein.
Dann, ganz langsam kehrte Ruhe in ihm ein, zum ersten Mal in seinem Leben vollkommen und unerschütterlich.
Karim öffnete seine Augen.
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D ie beige schimmernde Stofftapete bildete einen harmonischen K ontrast zur Sitzgruppe aus dunklem Leder. Der weiche Untergrund entpuppte sich als hochfloriger Teppic h, der Louis-Quinze- Sekretär als verspielt es Element gab dem Raum seine Eleganz und ließ auf einen versierten Innenausstatter schließen. Spiegel an den Wänden des E tablissements versprachen Weite. D ie sorgsam ausgewählten Accessoires überfrachteten die Atmosphäre nic ht, sie fingen als interessante Detail s unstete Blicke ein un d ließen sie zur Ruhe kommen.
Karim strich über die die wollige Oberfläche eines herumliegenden Kissens. Der Stoff sandte Schauer seine Arme hina uf und kitzelte seine Hände . Auf spinnweb en dünnen Seidenschals, die vor der geöffneten Flügeltüre im warmen Sommerwind wehten , waren Blumenmuster angedeutet. Karims Lider verengten sich, als dahinter das Az urblau des Mittelmeeres aufleuchtete .
Natürlich : Er logierte im Hotel Châ teau Eza an der Côte d‘Azur, das war ihm im selben Augenblick klar . Er trat auf die große Terrasse der Suite hinaus und erfasste mit einem Blick, dass er sich im Jahr 1972 befand. Er wusste es einfach! Es war eine Art BEY-Magie. Vor ihm breitete sich das durch seine leuchtenden Farben bestechende Panorama des Mi ttelmeeres aus. Die träge n Wellen glänzten wie f unkeln de Glasscherben . Unterhalb der Terrasse stachen schroffe Gesteinsformati onen aus einer Steilwand hervor; das Hotel thronte oberhalb einer von trockenen Büschen und Kräutern bewachsenen Schlucht.
Gierig sog Karim die salzige Luft ein, den verführerischen Geruch von Pinien und Lavendel, die ihn mit ihrem Duftteppich einhüllten gleich eine r behagliche n Decke. Der Boden strahlte noch die Wärme des Tages ab , aber erste Schatten fielen bereits auf den mit feinstem Leinen eingedeckt en Tisch in der Mitte der Terrasse.
A us einem Kühler ragte schräg eine Flasche Champagner, Kaviar funkelte wie schwarzer Diamant auf seinem Bett aus gestoßenem Eis. Frisc he Früchte lugten aus einer Schüssel aus edelstem Bon e China, kleine Wassertropfen fingen das Sonnenlicht ein und reflektierten es in einem bunten Fächer auf die Tischdecke. Alles war von einem warmen Licht durchdrungen, das Silberbesteck sandte kleine silb rige Strahlen in diese Symphonie aus Gold.
Wie selbstverständlich
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