SLAM (German Edition)

giss nicht, sie ist für Frauen erschaffen worden . Durch sie hat sie nicht nur alles über die Anatomie einer Frau gelernt, ihre Aufgabe umfasste alle Lebensbereiche, also auch die Gefühle . Lange Zeit konnte sie nur na ch ihrer Programmierung handeln. D as änderte sich, als sie ein Bewusstsein entw ickelte. Es gesellten sich Gefühle bei , die sie zunächst nicht einordnen konnte. Ihre Erfahrung half ihr, damit umzugehen, aber ein Gefühl stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Einsamkeit, die Sehnsucht nach Liebe und die Neugierde auf das andere Geschlecht sind die stärkste n aller Empfindungen. Das beschäftigt sie schon seit langer, langer Zeit . U nd als ich begann, mich gegen sie aufzu lehnen, glaubte ich, gerade die Neugierde könnte etwas sein, was mich von meinem Fluch befreien könnte, aber meine Hoffnungen wurden bislang immer enttäuscht. Seit es jedoch dich gibt, hat sich etwas verändert. Sie hat sich verändert. Du bist die Lösung, denn mit dir ist es anders .«
    Karim fühlte sich mehr als unbehaglich . Gesagt zu bekommen, man sei etwas ganz Besonderes, kannte er nicht. Er war d och nur ein ganz normaler Mann , er machte seine Arbeit gut, er hatte Familie, achtete seine Väter. Zugegeben, er hatte merkwürdige Träume, dass er deshalb aber gleich z u einer Art Übermensch stilisiert wurde, behagte ihm überhaupt nic ht. So viel Verantwortung wollte er nicht tragen. Und bestimmt irrte BEY gewaltig. Mal wieder. Dieses Mal eben auf Karims Kosten.
    » Seit du geboren wurdest, geht etwas mit ihr vor. Sie beobachtet dich seit deinem ersten Atemzug. Irgendetwas ist an dir oder in dir, das sie vom ersten Moment an fasziniert hat. Erst habe ich nicht verstande n, warum du sie so bezauberst , aber als du größer wurdest, wurde mir irgendwann klar, dass sie sich verhielt wie ein verliebtes Mädchen. Du musst mir verzeihen, es ist schon lange her, dass ich so etwas erlebt habe, also hat es wohl mit meiner Erkenntnis etwas länger gedauert. Als ich begriff, dass sie in dich verliebt ist, wusste ich, dass ich dir helfen musste , deine Suche zu beginnen, denn du bist derjenige, der alle retten, der unsere Welt wieder in Ordnung bringen kann. «
    »Ich verstehe trotzdem nicht , wie ich das bewerkstelligen soll«, erwiderte Karim. E r war im mer noch geschockt von der Erkenntnis, dass sein ganzes Leben tatsächlich wie das einer Mikrobe gewesen sein sollte, die man durch ein Mikroskop beobachtete. E r fühlte einen Kloß der Angst in seinem Hals anschwellen. HAVVA2 in ihn verliebt? Eine Göttin wollte ihn ? Er fühlte sich wie ein Sandkorn, gefangen in einer gigantischen Düne, auf Gedeih und Verderb mitgerissen, hilflos Wind und Sonne ausgesetzt. Konnte ein Sandkorn rebellieren? Konnte es sich weigern, den Zug der Dünen mitzumachen? Sicher nicht. Aber war das fair? Er war dieses Sandkorn , und nun erklärte ihm sein Mentor, dass eben dieses winzige Körnchen die Richtung bestimmen konnte, in d er sich der Dünengigant bewegte.
    BEY umfasste mit einer liebevollen Bewegung sein Gesicht un d neigte seine Stirn an seine. »Du wirst es verstehen , wenn wir uns voneinander verabschiedet haben, Karim. Du bist mir ein Sohn gewesen wie mein eigen Fleisch und Blut. Ich habe dich wachsen sehen, habe gesehen, wie dein Geist erwachte , und du hast mich mehr als einmal so stolz gemacht, wie nur ein Sohn einen Vater stolz machen kann. Ich liebe dich, mein Freund , weil du mein Vermächtnis bist. Du bist mein Ausweg, mein Weg zum Frieden. Meine Zeit hier ist vorüber , und ich will endlich heimgehen. Früher, als die Zeiten noch andere waren und die Menschen noch stolz und frei, da verabschiedeten sich auch die Männer mit einem Kuss voneinander. Nicht die Sorte Kuss, die man mit Frauen tauscht, aber trotzdem etwas ganz Besonder es . Erweise mir die Ehre und verabschiede dich von mir wie ein Wüstensohn, Karim. Dann wirst du alle Antworten erhalten. «
    Seine Stimme klang flehentlich, aber Karim konnte wieder ein wenig vom Stolz darin hören, der bis vor wenigen Sekunden d araus verschwunden gewesen war. Die Schemen der Zelte vor der untergehenden Sonne waren schon längst verschwunden, kein Laut war mehr zu vernehmen. Nun umgab sie wieder »D as Herz des Wissen s« . BEY stand vor ihm, hielt sein Gesicht umfasst und blickte ih n aus unergründlichen Augen an.
    „Vertraue mi r ein letztes Mal“, murmelte er, und Karim tat, worum ihn sein alter Freund bat. Tu es!, t önte es in seinem Kopf. Er schloss seine Augen und