SLAM (German Edition)
ihre Aktentaschen fest umklammert, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Keine Metallbestie, nirgendwo die überirdis ch schöne Erscheinung von HAAVA2 , nur die Geräusche der Stadtnacht und ein einsamer Sternenhimmel.
Karim blieb stehen und blickte sich nach alle n Seiten um. Seine Furcht flackerte kurz auf , dann erlosch sie wie eine endlich erstickte Flamme und wich wortlosem Erstaunen. Es schien, als sei er wahrhaftig frei. Mit jedem Schritt entspannte er sich mehr, fand irgendwann er seinen normalen Rhythmus und suchte nicht mehr mit nervös en Blicken seine Umgebung ab.
In welche verrückte Sa che war er da hineingeraten? Auf was hatte er sich eingelassen? Eindrücke seiner ab enteuerlichen Reise pflasterten seinen Weg. E r sah sich in einem überwältigenden unterirdischen Raum, gefüllt mit schemenhaften Gestalten, Lichtblitzen und wundersame n Vehikeln , die an ein er Wand auf- und niedersausten. Gazellenhörnchen, süß und staubig an seinem Gaumen klebend . Wüste und Wind, pulsi erende Röhren, waberndes, kupfer farbenes Licht, Schweiß, Tränen, Liebesspiele im Wüstenwind und dann Wasser, Wasser überall. Er hörte ein helles Lachen und runzelte die Stirn.
Seltsam, diese Stimme kla ng ungewohnt und doch vertraut.
Er schüttelte den Kopf und beschleunigte seine Schritte. Auf der Treppe hinunter in Abdul Bari verkrampfte sich seine Hand. Wo hatte er seine Aktentasc he gelassen? Hatte er sie im Zentralarchiv vergessen? Er spürte, wie Müdigkeit in jede seiner Zellen kroch und sich dort ausbreitete. Kurz dachte er darüber nach, zurück zugehen und nachzu sehen , dann wischte er diese Idee wieder beiseite . Er konnte morgen genauso gut ins Büro gehen und sie abholen.
Als er die Unterführung durchquerte, blieb sein Blick an der Vertäfelung der Tunnelwand hängen. W ieder überfiel ihn ein sonderbares Gefühl, fast wie ei n Déjà-vu , aber er blieb nicht stehen , sondern eilte weiter. Er wollte zu Soli, zu seinem Sohn. Er fühlte sich wie erschlagen, es war ein harter Tag gewesen. So vieles hatte er erlebt, all das musste er erst verarbeiten, zur Ruhe kommen, schlafen.
Ja, schlafen war wirklich eine gute Idee.
Da war dieser Sturz … Eine Terrasse … Er blickte an sich herunter und suchte nach Spuren von Verunreinigungen auf seiner Kleidung , aber der Stoff seiner Hose spannte sich makellos über seine schmerzenden Muskeln. Zurück aus der Unterführung , hielt er a n. Was war heute passiert? Sein H irn sandte ihm einen einzigartigen Geruch, verlockend und süß. V erzweifelt bemühte er sich, ein Bild zu die sem Duft zu finden, eine innere Regung, aber so sehr er sich auch bemühte, alles, was er fand, war ein innerer Alarm. Haram! Es roch haram, verboten.
Was waren das für Bilder, die vor seinen Augen kreisten? Ihn beunruhigten, aufstachelten. Karim mühte sich, sie abzuschütteln, sie waren ihm unangenehm. Er drückte sie in den Hort seines Unterbewusstseins zurück, aus dem sie entsprungen zu sein schienen.
Je näher seiner Wohnung kam, desto schwerer legte sich eine bleierne Müdigkeit über seine Gedanken. Für ungreifbare Augenblicke erinnerte er sich daran, diesen Tag nicht alleine verbracht zu haben. D a war jemand gewesen, der i hn begleitet hatte, aber wohin?
Er gab sich einen Ruck. Die wenigen Minuten nach Hause musste er noch überstehen, dann konnte er sich sofort ins Bett begeben und sich Ruhe gönnen.
Ja, schlafen war wirklich eine gute Idee.
Als Karim schließlich die Schwelle seiner Wohnung überschritt, konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten. Mit rot geränderten Augen sah er Soli mit dem Kleinen aus dem Kinderzimmer kommen und ihn entgeistert anstarren .
» Wo warst du? «, sagte Soli , und Karim entging nicht , dass er seine Stimme nur mit großer Mühe beherrschte.
» Ich hatte einen furchtbaren Tag «, sagte er wahrheitsgemäß.
» Einen furchtbaren Tag? « Soli schnappte nach Luft und wiegte den Kleinen dabei hektisch hin und her , worauf d ieser anfing, leise zu weinen. » Du bist seit zwei Tagen wie vom Erdboden verschluckt. Niemand hat dich gesehen, keiner konnte mir sagen, wo du bist. Ich war in deinem Büro, da warst du nicht , und ich stand da wie ein Idiot, der nicht weiß, wo sein Ehemann ist. Hast du dir auch nur eine Sekunde lang Gedanken darüber gemacht, wie es mir, wie es uns geht, wenn du ohne Erklärung verschwindest? «
Das Kind in seinem Arm begann zu s chreien, als wolle es Solis Vorwürfe noch untermauern. Zwe i Tage?
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