SLAM (German Edition)
alten Cafés. Soli winkt anderen Männern zu , die ihn grüßen, sie halten an, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln, legen dabei ihre Hand auf seine Schulter, freundschaftlich. Karim sitzt daneben und wartet auf seine Eifersucht, die er irgendwo in sich vermutet, aber alles, was er empfindet, ist Gleichgültigkeit. Manchmal ertappt er sich dabei, wie er sich wünscht , Soli würde mit einem dieser Männer ein Verhältnis haben. Das würde ihn beruhigen , und die traurige Hand seines Mannes würde si ch nicht mehr wie ein Vorwurf auf seine Haut legen.
Auf einem ihrer gemeinsamen Spaziergänge bleibt Karim vor einem Schaufenster stehen und starrt in die Auslage. Einer archaisch aussehenden Schaufensterpuppe hat jemand ein weißes, langes Gewand übergezogen und einen Schech auf dem Kopf drapiert. Wie gebannt steht er da , und eine Erinnerung ohne Bilder zerreißt ihm das Herz. Ohne nachzudenken, stürmt er in den Laden und kauft be ide Kleidungsstücke. Als er damit zu Hause vor dem Spiegel steht, sieht er einen Mann, der ihm seltsam bekannt vorkommt. Er kneift die Augen zusammen und sucht in seinem Abbild nach einer Erinnerung, versucht sie festzuhalten , und findet am Ende doch nicht mehr als da s Gefühl des Versagens .
Inzwischen sitzt er freitags mit seiner Galabyia un d seinem Schech bekleidet i m Hof der Moschee. Irgendwie spricht es sich so besser. Sie gibt ihm Sicherheit und das Gefühl, nicht alleine zu sein, wenn er zu den Männern redet, die erwartu ngsvoll an seinen Lippen hängen . Er ist in diesen Momenten n icht mehr einsam, Vertrautheit steckt in diesen Sachen , und wenn niemand hinsieht, hebt er den Stoff hoch und vergräbt seine Nase tief darin. Dann ist ihm, als könne er fast greifen, was er verloren hat , und die Gewissheit des Versagens brennt mit lodernder Flamme in ihm.
Ahmet arbeitet im Zentral archiv, und genau, wie er ihn damals bekommen hat, schenkt Karim ihm an seinem ersten Arbeitstag den Bleistift, der so lange auf seinem eigenen Schreibtisch gelegen hat. Von seinem Verdacht, dass die Arbeit im Archiv nutzlos ist, erzählt er Ahmet nichts.
Er besucht die Stätten des SLAM, wann immer er die Gelegenheit dazu hat. Er will die Felsenstadt Petra sehen, das wollte er schon immer. Als der Transporter vor dem Einschnitt im Felsen hält, durch den man in die Schlucht gelangt, muss er sich an einer der rauen Gesteinswände festhalten. Panik steigt in ihm auf, er bekommt keine Luft mehr und hat das Gefühl, die jahrtausendealten Steinquader würden über ihm zusammenbrechen. Seine Beine knicken ein, er kann sich nicht mehr halten und bric ht keuchend zusammen. Das Gewicht der Schuld ist unerträglich und drückt ihn in den Staub.
Eine Hand erscheint vor seinen Augen. E r ergreift sie verzweifelt und zieht sich mit einer Kraft, die er eigentlich nicht hat, an ihr hoch. Dann steht er schwankend da, umringt von fragenden Gesichtern , und faselt etwas von der Hitze, die ihm nicht bekommt. Schweißgebadet schleppt er sich durch den schmalen Canyon und bleibt dann atemlos stehen, al s der Grabkomplex vor ihm auftaucht .
Di e Sonne brennt ihm auf den Kopf. D er Fremdenführer winkt den Besuchern zu, ihm zu folgen, aber seine F üße sind wie festgeschraubt. Gleich ein er Sc himäre ragt vor ihm die Fassade des Felsendomes auf. Er streckt den Arm danach aus und versucht, den Schleier des Vergessens darüber wegzuwischen, weil er weiß, dass dahinter noch etwas ist. Er ist sich sicher, dass dort die Quelle seines Versagens liegt, die Ursache für seine Schwermut. Aber die Sonne glüht unbarmherzig auf ihn nieder, taucht alles in gleißende Helligkeit , und der Reiseleiter drängt zum Weitergehen. Al s er die Schwelle zum Felsendom überschreitet, ist das Gefühl verschwunden.
Nachdem alle anderen Reisenden wieder den Transporter bestiegen haben, bleibt er alleine in der Schlucht zurück und sitzt im Schatten der Felswände. Er starrt die Fassade an und fragt sich, was sie zu bedeuten hat. Er war vorher noch niemals hier, was kann also der Grund für seine heftige Reaktion sein?
Er erzählt Soli nichts von diesem Erlebnis. Er erzählt Soli ohnehin nichts mehr aus seinem Leben. Und Soli hat schon lange aufgehört zu fragen.
Der Ruf von der berühmte n »Ismail bin Amr bin Kathir al Dimaschqi Universität « in Lumkarta gibt ihm die Gelegenheit, sich endlich von Soli zu trennen. Nicht nur er ist erleichtert, auch Soli steht ins Gesicht geschrieben, wie erlöst er ist. Sie teilen dreißig Jahre g
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