SLAM (German Edition)
verlosch, während an anderer Stelle ein neuer Stern am Bürohimmel erschien.
Von seinen Kollegen drang kein Laut in die riesige Halle, in der im Moment nur das Klacken von Karims Schuhen auf dem spiegelglatten Marmorboden zu hören war. Er wusste, wenn er erst seine Box betreten hätte, wäre auch davon nichts mehr zu hören.
Die wenigen persönlichen Dinge, die Karim im Laufe der Zeit mit in sein Büro gebracht hatte, ließen allenfalls ahnen, dass hinter dem Angestellten an diesem Schreibtisch noch ein Privatmensch steckte. Ein Bild von Soli, vielleicht demnächst auch ein Bild des gemeinsamen Sohnes, ein Ginkgoblatt in Kryo-Kit gegossen, weil ihn dessen Form so fasziniert hatte, das Zertifikat an der Wand, welches ihm nahezu uneingeschränkten Zugang zum System gewährte. Ansonsten gab es nur noch eine Antiquität, die Soli ihm einmal geschenkt hatte und die auf einem kleinen Kissen am hinteren Ende seines Schreibtisches thronte. Man hatte es wohl » Bleistift « genannt. Normalerweise hätte er diese n giftigen Stoff weder besitzen noch hierher bringen dürfen, aber aus Gründen, die er nicht verstand und ganz bestimmt nicht hinterfragen wollte, hatte sich bislang niemand für dieses schmal-lange, eckige Ding interessiert, dessen Bedeutung Karim nur kannt e, weil er Zugang zu BEY hatte.
Ohne dass er sich dessen bewusst war, wurden seine Biozeichen beim Eintreten in seine Bürobox erfasst und BEY gemeldet.
» Selam Aleykum , Karim. Wie war dein Termin? « Die direkte Verbindung z u BEY war ein alter weiser Mann. Er steckte in einem Smagh, wie man ihn nur noch von uralten Bildern, aus den Erleuchtungszentren und von religiösen Feiertagen her kannte. Der weiße Stoff fiel weich um ein gütiges, graubärtiges Männergesicht, das von unzähligen Falten durchzogen war , und wurde von einer Taqiya gehalten. Er durchquerte den Raum und ließ sich auf einem Stuhl nieder; die Galabiya, die er trug, verdeckte die Formen seines Körpers komplett. Das freundliche Gesicht des alten Mannes zeigte einen interessierten Ausdruck.
Karim setzte sich auf seinen Bürohocker, klemmte seine Beine unter die Halterungen und richtete seinen Oberkörper auf. In dieser Position, konnte er stundenlang arbeiten, ohn e über Verspannungen zu klagen.
Er lächelte BEY an. » Aleykum Selam , BEY. Danke der Nachfrage, der Termin war zu friedenstellend. Ich bin bereit. G ibt es eine dringende Aufgabe , oder bleibt ein wenig Zeit für eine Recherche? «
D as faltige Gesicht zog eine Augenbraue hoch. » Wonach werden wir heute suchen, K arim? Und vor allem würde ich gerne wissen wollen , zu welchem Zweck? «
Damit hatte Karim gerechnet, aber als die Frage im Raum stand, hielt er dennoch heimlich die Luft an. Normalerweise arbeitete jeder mit BEY in seinem Büro zusammen und hatte von dort aus Zugang zu nahezu allen Informationen, die für die Arbeit benötigt wurden. War ein Projekt einmal besonders aufw e ndig , oder die Recherche etwas knifflig, dann gab es noch » das Herz des Wissens « , den zentralen Raum des Gebäudes. Hier befand sich der direkte Zugang zum Archivar. Hier konnte man das Herz von BEY förmlich schlagen hören, hier lagen alle Antworten, wenn man die richtigen Fragen stellte. Karim hatte diesen Zugang bislang selten genutzt, um seinen eigenen Recherchen nachzugehen; immer hatte er das ungute Gefühl gehabt , dass sein Tu n bemerkt und geahndet werden kö nnte. Der direkte Kontakt mit BEY im Herz des Wissens wurde nicht gerne gesehen, menschliche Körper waren zu unrein, um mit hochempfindlicher Technologie zusammen in einem Raum zu arbeiten. Für die Recherche, die Karim nun vorschwebte, wäre ein Zugang über das Herz sinnvoll, aber zu riskant gewesen. Er hoffte, von seinem Büro aus weiterzukommen.
» Nun, ich möchte eine Frage beantworten, die sich positiv auf die Zusammensetzung unserer Nahrung auswirken könnte. Ich denke, wenn du mir gestattest auf ältere Daten zuzugreifen, könnte ich einen sinnvollen Vorschlag erarbeiten, der zukünftig unsere Nahrung optimiert. «
Diese Erklärung hatte er si ch auf dem Weg ins Büro zurecht gelegt und hoffte nun, dass BEY seine Anfrage positiv entscheiden würde. Eine Ablehnung wäre gleichbedeutend mit einer Überprüfung gewesen , ein Umstand, der sich negativ auf seine weitere Karriere auswirken könnte.
BE Y schwieg einen Moment, dann zeigte sich etwas wie Entspannun g in den Zügen des alten Mannes. » Wo fangen w ir an, Karim?«
Konzentriert atmete Karim jeweils
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