Slant
viele Patienten mit Problemen und starkem Willen hinterlassen diesen ersten Eindruck.
Crest schlägt mit der Hand auf die Stuhllehne. »Ich bin verflucht, Dr. Burke. Es gibt Tage, an denen ich genau weiß, dass ich ins Wanken geraten werde. Bei einigen der Firmen, mit denen ich zusammenarbeite, die sehr große Geschäfte machen, muss jeden Monat eine Inspektion durchgeführt werden. Können Sie das fassen?«
Martin lächelt. »Sie ist bestimmt nicht freiwillig, soviel steht fest.«
»Es ist eine Möglichkeit, um Fehler auszujäten. Bei Hochnatürlichen ist die Chance geringer, dass sie ein Geschäft verpatzen. Eine Rasse der Superhirne.« Crest erwidert Martins Lächeln. Doch sein Lächeln scheint im Schatten zu liegen, obwohl der Raum hell erleuchtet ist. »Sehr amerikanisch. Zuverlässigkeit kommt vor Kreativität.«
»Intelligenz und Kreativität gehen häufig mit fragileren Konstitutionen einher«, sagt Martin. Diese beruhigend gemeinten Worte kommen ihm nach so vielen Malen mühelos über die Lippen. »Es gibt zahllose Beweise, dass manche Menschen viel empfindsamer und aufmerksamer sind, dass sie ein feineres Gespür für die Realität haben, und das stellt eine höhere Belastung ihres Systems dar. Dennoch machen diese Menschen sich in unserer Gesellschaft sehr nützlich. Ohne sie kämen wir nicht so gut zurecht…«
Crest schüttelt energisch den Kopf. »Genie liegt unmittelbar neben dem Wahnsinn – ist es das, was Sie mir sagen wollen, Doktor?«
»Genie ist ein spezieller Geisteszustand… ein geistiger Typ, der nur entfernt mit den Typen vergleichbar ist, von denen ich rede.«
»Wie ein Geist aus der Flasche? Wenn man die richtigen Stellen am Kopf reibt, kommt er heraus? Nun, ich bin jedenfalls kein Genie.« Crest kichert nervös. »Und mir wurde auch nie vorgeworfen, besonders empfindsam zu sein… Weswegen mache ich mir dann Sorgen? Ich meine, die Art von Entscheidungen, die ich treffen muss, erfordern konzentriertes Nachdenken, vielleicht sogar einen Mangel an Empfindsamkeit und Mitgefühl… aber in allererster Linie Stabilität. Ich muss über längere Zeiträume schwierigen Bedingungen standhalten können.«
»Dafür sind Sie zumindest allgemein bekannt, Mr. Crest.«
Crest hebt den Arm und zeigt mit ausgestrecktem Finger auf die Decke. »Ein winziger Ausrutscher… und es folgt der Absturz vom Hochnatürlichen zum, sagen wir mal, simplen Untherapierten.« Crest erschaudert. »Ein winziger unangebrachter Gedanke, und meine Frau verlässt mich mitsamt ihren Beziehungen. Offen gesagt glaube ich, dass ich von den Dingen besessen bin, die ich fürchte.
Dr. Burke, dieses Gespräch muss absolut vertraulich bleiben. Streng geheim. Ich bin bereit, Ihnen einhunderttausend Dollar zu zahlen, wenn Sie sich unter dem Siegel der Verschwiegenheit um mich kümmern, falls ich versagen sollte.«
Martin hasst es, Patienten abzuweisen. Und er hasst es, wie jemand behandelt zu werden, der käuflich ist. Nicht dass er in dieser Hinsicht völlig unbescholten wäre – zu seiner großen persönlichen Schande hat er sich schon einmal kaufen lassen. Diese Erfahrung bestimmt sein Leben. Er weiß, welche Konsequenzen sich daraus ergeben können.
Crest seufzt. »Ich mache es Ihnen nicht leicht, nicht wahr, Doktor?«
»Inwiefern?«
»Nun, ein Hochnatürlicher spaziert herein und erzählt ihnen etwas von der Möglichkeit des Versagens. Ich meine, Sie sind wohl kein Hochnatürlicher, oder?«
»Nein.«
»Untherapiert? Einfach nur ein Natürlicher?«
»Nein.«
»Also therapiert? Schon seit einiger Zeit, richtig?«
»Richtig.«
»Also müssten Sie… ich meine, es müsste so sein, als würde ein reicher Mann zu Ihnen kommen und sich beklagen, dass er sein Geld verliert, während Sie gar keins haben.«
Martin blickt Crest an und sagt: »Sie bieten mir das Vierfache meines bislang höchsten Honorars. Es ist ein sehr großzügiges Angebot, aber ich wäre unaufrichtig zu Ihnen, wenn ich nicht darauf hinweisen würde, dass der Einstufung als Hochnatürlicher im Allgemeinen viel zu viel Bedeutung beigemessen wird. So groß ist der Unterschied gar nicht. Es ist nur irgendeine Kategorie, eine Quantifizierung, die von manchen benutzt wird, um sich von ihren Mitmenschen abzugrenzen.«
»Ich bin kein Habenichts, Dr. Burke. Ich bin es gewohnt, viel zu haben.«
»Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht zu sehr darauf verlassen, dass Sie diese spezielle Bedingung erfüllen und diese Einstufung als Hochnatürlicher haben. Sie
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