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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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»Es tut mir Leid, dass ich Ihre Zeit beansprucht habe. Ich werde Ihnen für Ihre Bemühungen fünfzig K auf Ihr Konto überweisen lassen.«
    »Nicht nötig«, sagt Martin. Er ist sehr wütend, obwohl er weiß, dass sein Zorn völlig unangemessen ist.
    Martin führt den Besucher zur Tür. Dort hält Crest inne und dreht sich um, als wollte er noch etwas sagen, doch dann geht er.
    Martin stößt einen tiefen Seufzer aus und sammelt sich. Ein paar Minuten später tritt er ins Vorzimmer. Arnold und Kim starren ihn an, sind genauso erleichtert und erstaunt wie er. Sie gehen zum Fenster und blicken auf die Straße hinunter, wo sich drei Stockwerke tiefer eine kleine schwarze Limousine in den Verkehr einfädelt.
    »Das war die seltsamste Begegnung, die ich seit vielen Jahren hatte«, sagt Martin. Er blickt sich zu Kim um. »Ihre Evaluation?«
    »Er steht kurz davor«, sagt Kim. »Er sollte zu einem Primärtherapeuten gehen.«
    »Das habe ich ihm auch gesagt. Aber er wollte nicht auf mich hören.«
    »Dann können wir nichts für ihn tun.«
    Trotzdem hat Martin Schuldgefühle. Er hat sich nicht einmal um eine Erneuerung seiner Bundeslizenz beworben. Er ist überzeugt, dass man einen solchen Antrag ablehnen würde – und das könnte einen hässlichen Fleck auf seiner einigermaßen weißen Weste ergeben.
    Genauso wie Crest muss er sich durch gefährliche Untiefen manövrieren.
    »Doktor«, sagt Arnold, »Ms. Carrilund hat Ihre Nachricht erhalten und möchte umgehend darauf antworten. Ich wollte Sie nicht vor dem nächsten Klienten stören, aber…«
    Er denkt an Crests Situation und wie weit verbreitet diese Form des brutalen Wettbewerbs in der realen Welt sein muss, dass sie sogar die Reichsten der Reichen aufreibt. »Ich nehme das Gespräch an«, sagt Martin.
    Er kehrt in sein Büro zurück und setzt sich vor das Pad auf dem Schreibtisch. Carrilund erscheint in detailgenauer Abbildung vor ihm, Mitte Fünfzig, weißblond, in einem modisch geschnittenen Geschäftsanzug mit Rüschenärmeln. Sie sieht gut aus und altert natürlich, woraus Martin schlussfolgert, dass sie in ihrer Jugend gefährlich attraktiv gewesen sein muss. In mancherlei Hinsicht erinnert sie ihn an Carol – aber in letzter Zeit erinnern ihn viele Frauen an Carol.
    »Ich bin froh, dass Sie Zeit gefunden haben, mit mir zu reden, Dr. Burke«, beginnt Carrilund. »Sie wurden uns von vielen unserer Klienten wärmstens empfohlen.«
    »Es freut mich, das zu hören«, sagt Martin. Er hat immer noch einen säuerlichen Geschmack im Mund. Er gießt sich ein Glas Wasser aus der Karaffe auf dem Schreibtisch ein und nimmt einen Schluck.
    »Haben Sie bemerkt, dass die Zahl der Rückfälle in Ihrer Praxis zugenommen hat?«, fragt Carrilund.
    »Nein. Ich habe hauptsächlich mit verweigerten Grundtherapien zu tun.«
    »Ich verstehe. Derzeit trifft das auf alle Ihre Klienten zu, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Dr. Burke, meine Quellen deuten darauf hin, dass in den nächsten Monaten eine Flut von Rückfällen und verweigerten Grundtherapien auf Sie zukommt.«
    »Aus Ihrer Agentur?«, fragt Martin.
    »Möglicherweise, aber nicht unbedingt über mein Büro. Über die Hälfte unserer Klienten, die in eine Primärtherapie gehen, wurde eine Grundtherapie verweigert. Ich möchte die Sache keineswegs an die große Glocke hängen, Dr. Burke, aber sie wird sich nicht mehr lange geheimhalten lassen.«
    Martin pfeift. »Außergewöhnlich«, sagt er.
    »In den Jahren, seit ich für Workers Inc. arbeite, lag der Anteil nie höher als fünf Prozent. Ich wollte mich erkundigen, ob Sie interessiert wären, sich an einer kleinen Studie zu beteiligen.«
    »Ich wüsste nicht, was dagegen spräche – falls es sich tatsächlich um ein längerfristiges Problem handelt. Aber wie gesagt, in meiner Praxis würde ich einen solchen Trend wohl erst bemerken, wenn…« Plötzlich wird ihm ein Zusammenhang bewusst, und ihn überkommt ein leichtes Schwindelgefühl.
    »Im Corridor gibt es nur fünf Ärzte, die auf Ihrem Gebiet tätig sind«, sagt Carrilund. »Ich glaube, Sie werden eine beträchtliche Zunahme von Anfragen erleben.«
    Falls ihre Statistikdaten nicht nur auf Zufall beruhen, würde das bedeuten… Er rechnet schnell nach. Das macht Zehntausende für jeden der fünf. »Einen solchen Ansturm könnte ich nicht bewältigen.«
    Carrilund lächelt mitfühlend. »Es könnte zu einem großen Problem für uns alle werden. Wir würden gerne mit Ihnen zusammenarbeiten, um mehr über die zugrunde liegenden

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