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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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falls Sex eine Messlatte für das Lebensalter ist – hat sie bereits Jahrhunderte gelebt, ist sie eine runzlige, ausgedörrte Mumie.
    »Scheiß drauf!«, sagt sie und breitet die Arme aus. »Es ist doch nur ein Tanz.«
    Und sie kennt die Schritte, beherrscht sie im Schlaf.

 
8 / Nullsumme
     
    Jack Giffey nimmt den äthanolbetriebenen Bus, der Moscow in östlicher Richtung durchquert. Die Abgase des Busses riechen wie ein betrunkener Penner und fast alle Sitze sind leer. Eine ältere Frau und ein kleiner Junge sitzen weiter vorn. Die Frau dreht sich um und wirft ihm über die Rückenlehne einen misstrauischen Blick zu. Er lächelt höflich, obwohl er über Omphalos nachdenkt und seine Gedanken alles andere als höflich sind. Er hasst Omphalos mit einer Leidenschaft, die er selbst gar nicht richtig versteht. Es ist keine Klassenangelegenheit. Weder beneidet er die Reichen, noch möchte er ewig leben, und er möchte sich auf gar keinen Fall bis zum Ende der Zeit in einen teuren Eisschrank sperren lassen. Die Gründe liegen tiefer.
    Er bemüht sich, seine Gefühle zu beruhigen, und beugt sich vor, um aus dem gepanzerten Schlitzfenster zu schauen. Manche der etwas unbeherrschteren Ruggers benutzen den öffentlichen Nahverkehr gerne als Zielscheibe, und die Legislative bringt es nicht fertig, das zu unterbinden, da es eine Verletzung der individuellen Freiheit bedeuten würde. Vermutlich gibt es kein öffentliches Verkehrsmittel in ganz Green Idaho, das nicht durch Einschusslöcher über zusätzliche Lüftung verfügt. Es sind ja nur Jungs, die ihren Spaß haben wollen.
    Giffey glaubt, dass der Separatistenrepublik noch schätzungsweise zwei Jahre bleiben, bis sie zerfällt und die Hilfe von Bundestruppen benötigt, um die Ordnung wiederherzustellen. Ihm wird es nicht Leid tun, wenn sie von der Landkarte verschwindet.
    Nun ziehen Bäume und Felder mit Pferden vorbei: Sie befinden sich auf der 43 Loop außerhalb der Stadt. Hier war er schon einmal, nachts, unter einer Plane auf der Ladefläche eines Pick-ups, der ebenfalls nach billigem Äthanol roch. Doch diesmal wurde ihm das alte Ranchhaus detailliert beschrieben.
    Seine Haltestelle ist noch etwa einen Kilometer entfernt. Er macht sich auf die Auseinandersetzung mit einigen unvermeidlichen Verrückten gefasst. Giffey ist kein Fan von Waffen, aber wenn er in Omphalos einbrechen und die Aktion überleben will, muss er mit Männern zusammenarbeiten, die fanatische Waffenliebhaber sind. Für diese Männer sind Gewehre, Bomben und noch extremere Waffen eine Lebensnotwendigkeit; Frauen, Tankstellen und Nahrung sind dagegen lediglich unumgängliche Ärgernisse auf dem Weg zu einem hübschen neuen Stück aus Stahl.
    Als Giffey an der Leine zieht, wird der Bus langsamer, damit er aussteigen kann. Eine holprige Schotterstraße zweigt vom Highway ab. Das Ranchhaus liegt über einen Kilometer von der Straße entfernt.
    »Um vier muss ich zurück nach Moscow«, sagt er zum Busfahrer, einem jungen Mann mit Bartstoppeln auf Kinn und Wangen, der blaue Jeans und einen schwarzen Wollpullover trägt. Der Fahrer nickt ernst und öffnet die Tür. Giffey blickt sich mit einem knappen Grinsen zur Frau mit dem Jungen um und springt auf den Schotter. Der Bus entlässt einen Furz aus unverbranntem Maisschnaps und kämpft sich auf die Straße zurück.
    Giffey schirmt die Augen vor den alkoholischen Ausdünstungen ab. Als er aufblickt, sieht er die Augen des kleinen Jungen in einem Sichtschlitz, neugierig, was dieser Mann wohl mitten im Nirgendwo verloren hat.
    Giffey zieht sein Pad aus der Tasche und tippt eine Satlink-Nummer ein. Eine heisere Stimme antwortet: »Hallo?«
    »Ich bin’s, Giffey.«
    »Muss ich einen Wagen schicken?«
    »Sagen Sie nur Ihren Wachen Bescheid, dass ich komme.«
    »Wissen sie schon.«
    Giffey trennt die Verbindung und marschiert los. Fünfzehn Minuten später steht er vor einem Zaun, der im Abstand von sechzig Metern ein altes Haus aus Holzrahmen und Ziegeln umgibt, am Rand einer hundert Hektar großen vergilbten Grasfläche. Das Haus benötigt dringend eine Ausbesserung des Dachs und der Fundamente und einen neuen Anstrich. Ein Mann tritt auf die Treppe der Veranda und winkt ihm, dass er hereinkommen soll.
    Im Innern des Hauses riecht es nach kubanischen Zigarren und abgestandenem Bier. Vier Männer stehen mit den Händen in den Taschen herum, in einem Raum, der sich nur bedingt als Wohnzimmer bezeichnen lässt. Sie haben keinen Zweifel an ihrer Bereitschaft

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