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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Deismus und erst recht jedem Atheismus zurückzuschrecken. Zu Jonathans Erleichterung scheint Torino allmählich zum Ende seiner Ausführungen zu kommen.
    »Aber in dem, was wir bisher gelernt haben, liegt Hoffnung, eine Hoffnung, die von allen Kulturen geteilt werden kann, in der Erkenntnis, dass Veränderung und Pluralismus lebensnotwendig sind.
    Wenn wir alle gleich denken, wenn alle Unterschiede zwischen uns verschwinden, werden wir verwelken und absterben, worauf der große Lebensprozess erlischt. Einheitlichkeit bedeutet Tod, in der Ökonomie wie in der Biologie. Vielfalt innerhalb der Kommunikation und Kooperation ist Leben. Alles, was Ihre Vorfahren und was Sie selbst jemals getan haben, wird umsonst gewesen sein, wenn wir diese elementaren Lehren der Bakterien ignorieren.«
    Er nickt, worauf die Projektoren erlöschen. Die düsteren Schatten kehren in die Kirche zurück. Es gibt vereinzelten, höflichen Applaus. Torino mag berühmt sein, aber er kann sein kritisches Publikum nicht zum Narren halten. Jonathan hegt eine perverse Sympathie für den Mann, der etwas eulenhaft auf die kleine Menge starrt, in der sich bereits einige erhoben haben, um sich zu strecken.
    Hinter Jonathan sitzt ein Mann in den Sechzigern, dessen Namen er nicht kennt, aber dessen Gesicht ihm von früheren Treffen vertraut ist. Er räuspert sich und lächelt ironisch, während er den Kopf schüttelt. »Die Wissenschaft ist die Kunst, uns glauben zu machen, wir seien Bazillen«, sagt er. »Mein Gott, habe ich den weiten Weg von Tacoma hierher nur auf mich genommen, um mir diesen Blödsinn anzuhören? Ich hoffe, Chao setzt beim nächsten Mal etwas Vernünftigeres auf die Tagesordnung.«
    Jonathan beschließt, doch nicht zu Torino zu gehen, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Es wäre ungünstig, sich von der Menge abzuheben, wenn ein Treffen mit Marcus ansteht.
    Doch als er sich umdreht, steht Marcus plötzlich neben ihm und starrt ihn konzentriert an. »Nicht schlecht«, sagt er zu Jonathan. Jonathan lächelt und stimmt leicht verwirrt zu. Er hätte gedacht, eine Philosophie wie die von Torino würde jemanden wie Marcus Reilly zutiefst verärgern.
    Marcus geht an Jonathan vorbei und nähert sich Torino, dem er die Hand schüttelt und mit dem er einige Worte wechselt. Torino scheint erleichtert, dass ihm doch jemand zugehört hat.
    Als Jonathan zu ihnen stößt, hört er, wie Marcus gerade sagt: »… und das war der Grund, warum ich Chao bat, Sie einzuladen. Wir alle müssen gelegentlich ein wenig aufgerüttelt werden, wieder auf den aktuellen Stand gebracht werden. Manchmal sind die Stoiker ein ziemlich langweiliger Haufen. Sie haben für uns ein paar Fenster aufgerissen. Vielen Dank, Mr. Torino.«
    »Es war mir ein Vergnügen«, sagt Torino.
    Chao lächelt und nickt. Jonathan wünscht sich, er hätte Torinos Worten etwas konzentrierter gelauscht. Torinos und Jonathans Blicke treffen sich, aber Jonathan wüsste nichts, was er zu ihm sagen könnte.
    Marcus dreht sich um und scheint überrascht, Jonathan in seiner Nähe vorzufinden. »Da bist du ja«, sagt er und sein großväterliches Gesicht wird ernst. »Hast du Zeit für ein Gespräch?«
    »Ja«, antwortet Jonathan.
    »Gut. Lass uns im Thirteen Coins einen Kaffee trinken. Wir nehmen meinen Wagen. Ich hoffe, er hat draußen gewartet. In letzter Zeit scheint er… einen eigenen Willen zu entwickeln, befürchte ich.«
    Jonathan lacht, und Marcus grinst, als sie sich von den Stoikern verabschieden und das Gebäude verlassen.
    Jonathans Stimmung bessert sich; Marcus wirkt so zuversichtlich. Vielleicht hat er ein günstiges Angebot für Jonathan, was sich wiederum positiv auf Chloes Stimmung auswirken und ihre Zuneigung und ihren Respekt steigern könnte.
    Jonathan schreckt zusammen, als er einen hellen blaugrünen Blitz durch die Wolken über der Kathedrale zucken sieht. Dann folgt ein orangefarbener Blitz im Süden, als wollte er dem ersten antworten. Der Wind wird stärker; es wird wärmer.

 
16 /
     
    Yvonne ist zu einer Entscheidung gelangt, doch Giffey weiß nicht so genau, was er jetzt will. Das Essen ist vorbei, sie sind bei seinem dritten Bourbon und ihrem vierten Bier angelangt und Yvonne hat über ihre Jugend in Billings und den Umzug nach Moscow erzählt. Giffey hat nichts über seine Jugendzeit erzählt, denn insbesondere dieser Punkt geht niemanden etwas an. Es ist die Wurzel all dessen, was er ist, insbesondere seines Zorns. Er sieht keine Notwendigkeit, Yvonne seinen Zorn zu

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