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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ihre Einwilligung zugesteht. Nicht viel. Er steuert das bleiche Oval im Heiligenschein an und küsst sie.
    Der Kuss beginnt sanft, dann bietet sie ihm endlich offene Lippen und ihre Zunge an. Er mag Zungenküsse nicht besonders, aber er macht diese Phase mit, bis er sich den Regionen widmet, die er reizvoller findet: ihre Augen und ihre Nase. Sie klammert sich an ihn, lässt alles hungrig über sich ergehen. Jetzt hat sie jeden Widerstand aufgegeben, zumindest solange sie sich angezogen in der Öffentlichkeit befinden.
    »Lass uns gehen«, sagt Giffey.
    »Einverstanden«, sagt Yvonne.
    »In meine Wohnung«, sagt Giffey. »Es ist zu kalt, um sich hier auf der Straße nackt auszuziehen.«
    »Ja«, sagt Yvonne. Sie kichert – nein, es ist eher ein fast männliches tiefes Glucksen. Das ist gut.
    Nachdem sie alles zusammengerechnet hat, lautet ihr Ergebnis Eins.

 
NEBENFLUSS
     
     
    LitVid Suchergebnis (Hintergrunddaten: Laut Vermächtnis des Autors KOSTENFREI): Textspalte über Alexis de Tocqueville II (Pseudonym?) 25. März 2049
     
    Die zunehmende Affektarmut in Amerika verdient unsere Besorgnis. Wie können wir die Disaffektiven kurz und bündig beschreiben? Entmutigt, abgeschnitten von den Kulturen, auf die ihr Intellekt und Charakter zugeschnitten sind, den Kulturen des spirituellen Konservativismus und der xenophoben Bigotterie, die sich immer wieder als politisch unfähig und bankrott erwiesen haben. Sie beteiligen sich nicht mehr an Wahlen. Sie nehmen nur selten an der Datenfluss-Ökonomie teil. Angesichts ihrer Weigerung, Ausbildungsmöglichkeiten zu nutzen, die sie als korrumpierend betrachten, bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig, als sich der bedrohlichen wachsenden Neuen Arbeitslosigkeit anzuschließen. Hier sitzen sie mit ihren Familien an maßgeschneiderten und höchst >moralischen< Yox-Anschlüssen und speisen ihre wenigen Geldmittel in eine unterwürfige Unterhaltungsindustrie ein, die schon immer daran geglaubt hat, »das sich einhundert Millionen Menschen nicht irren können.« Hier durchleben sie noch einmal die ruhmreichen Tage des Elitismus und der Bigotterie oder die goldenen Träume der Arbeitersolidarität und -herrschaft. Sie geben sich wie verzogene Kinder mit Herz und Hirn in die Hand von Demagogen. Sie sind tote Menschen, aber trotzdem gefährlich.
     
     
17 /
     
    Alice gibt dem Wagen die Anweisung, sie drei Blocks vor ihrer Wohnung aussteigen zu lassen. Sie glaubt im künstlichen Luxus der Wagenkabine ersticken zu müssen. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie fühlt sich beleidigt und missbraucht und zum ersten Mal seit vielen Jahren beschmutzt. Flackernder Hass mischt sich mit aufzuckenden unglücklichen Erinnerungen und einer kontinuierlichen Empfindung der Scham.
    Sie geht über die verlassene Straße, folgt den Leuchtspuren auf Gehweg und Bordstein. Ein wärmerer Wind weht zwischen den Gebäuden und wenigen Häusern und gleißende, unheimliche Blitze spielen stumm über den Wolken.
    Sie möchte nicht beschützt werden. Sie spürt die Kraft des Windes und der Wolken, erzittert ein wenig angesichts der orangefarbenen und blauen Entladungen, während sie nach und nach ihren Stolz und ihre Rüstung repariert.
    Doch als sie die Eingangstür erreicht hat, stehen ihr wieder Tränen in den Augen. Sie erschaudert beim Gedanken an den gesichtslosen Mann, der ihre Schutzschilde aufreißen wollte, wie ein Strandgutsammler, der eine Muschel zu öffnen versucht. »Warum wollte er überhaupt irgendetwas über mich wissen?«, murmelt sie. »Was für ein Widerling! Was für ein Monstrum!«
    Sie verbringt dreißig Minuten unter der Dusche, wo sie zwischen Ultraschallzerstäubung und stetigem Strom hin und her wechselt. Am liebsten würde sie sich die gesamte Haut abschrubben und sich neue und frische wachsen lassen. Sie berührt sich kurz zwischen den Beinen und wünscht sich, sie könnte all diese Innereien ausstoßen, alles, was mit Haut und Sperma des gesichtslosen Ungeheuers Kontakt hatte. Solche Aversionen hat bisher noch kein Mann bei ihr ausgelöst und in einem abgeschiedenen Winkel ihres Geistes macht sie sich Sorgen über das erschreckende Ausmaß ihres Ekels.
    Es war nur Sex und es war nur einmal und er hat nichts Besonderes bekommen. Er hat nicht einmal um irgendetwas Besonderes gebeten. Es war ihm gleichgültig. Er wollte nur Fragen stellen.
    Alice spürt, wie die Funken der Wut erlöschen, durch ihre Erschöpfung erstickt werden. Sie will jetzt nur noch ins Bett kriechen und

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