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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Existenz ist flüchtig. Aber sie investieren in eine Form von gemeinschaftlicher Erinnerung – nicht nur in den genetischen Pool einer Spezies, sondern in das gemeinsam erworbene Wissen der Gemeinschaft. Also ähnlich wie in unserer menschlichen Gesellschaft. Das Ergebnis ist eine rasche Anpassung der gesamten Gemeinschaft an Gefahren – und großzügigerweise, als hätten die Bakterien die Wichtigkeit des globalen Ökosystems erkannt, geben sie Hinweise und Rezepte an andere Typen und andere Mikrogene weiter.
    Erst im vergangenen halben Jahrhundert haben wir diese Mikrogene erforscht und die Methoden bestimmt, durch die sie Erfahrungen teilen. Sie unterscheiden sich gar nicht so sehr von Menschen, zumindest was die Mathematik des Netzwerks betrifft. Von der Basis bis zur Spitze, ob in unorganisierten Webs oder hierarchischen Netzen – die Autopoiesis – das Verhalten selbstorganisierter Systeme – hat viele typische Eigenschaften gemeinsam. Also…
    Was ist das Besondere an uns? Genauso wie Bakterien legen wir als soziale Tiere Wert auf die gemeinschaftliche Verfügbarkeit von Informationen. Wir bezeichnen es als Erziehung und Bildung und das Resultat ist die Kultur. Die Form unserer Gesellschaft beruht auf gesprochener und geschriebener Sprache, die Sprache der Zeichen, das nächste Sprachniveau über dem molekularen. Manche fügen ein weiteres Niveau zwischen diese beiden ein, das des instinktiven Verhaltens, aber ich glaube, dass es sich dabei nur um eine andere Art von Zeichensprache handelt.
    Seit frühester Zeit war die Kultur ein genauso wichtiger Faktor für das Überleben des Menschen wie die Biologie und heute hat die Kultur die Biologie subsumiert. Die Zeichensprache der Wissenschaft und Mathematik hat die Macht der molekularen Sprache eingeholt und übernommen. Wir beginnen mit Molekülen und molekularen Anweisungen, doch nun wirken die Anweisungen auf sich selbst zurück, und wir regieren die Moleküle.
    In der Natur sind wir die ersten Lebewesen, die dazu imstande sind – seit den Bakterien!«
    Jonathan hat zwangsläufig konzentriert zugehört, da er sich nun kaum mit anderen Dingen beschäftigen kann. Er fragt sich, worauf Torino eigentlich hinaus will.
    »In all den Jahrhunderten, die wir versucht haben, unsere Natur und unser Verhalten zu verstehen, gingen wir von grundlegenden kategorischen Irrtümern aus. Wir haben uns hartnäckig bemüht, bestimmte Charakteristika zu trennen und sie isoliert zu untersuchen oder diese Charakteristika nach Kriterien der fundamentalen Bedeutung zu ordnen. Was ist fundamentaler – die Produktion oder Reproduktion? Das Huhn oder das Ei? Was war zuerst da? Werfen wir diese Frage und die irrige Philosophie, die sie hervorgebracht hat, zum Fenster hinaus, und fangen wir noch einmal ganz von vorne an.
    In der heutigen Massenbildung und im LitVid – und insbesondere in jenem kulturellen Bordell namens Yox – gedeihen diese irrigen Annahmen immer noch – und beweisen, dass das menschliche Wissen genauso wie die menschliche DNS mit nutzlosem, altmodischem Abfall angefüllt sein kann. In beiden Bereichen ist unsere Abfallentsorgung nicht sehr effektiv, weil wir niemals sicher sein können, ob wir sogenannte nutzlose Daten, eine überflüssige Richtlinie oder ein überholtes Denkmodell nicht eines Tages wieder gebrauchen können. Mit anderen Worten: Weder unsere Gehirne noch unsere Gene kennen die absolute Wahrheit. Wir befinden uns stets inmitten eines Experiments, dessen Ausmaß wir gar nicht verstehen und dessen Endergebnis uns völlig unbekannt ist. Wir tragen unsere Irrtümer als eine Art Sicherheitsnetz mit uns herum, auch wenn es häufig unsere Beweglichkeit behindert.«
    Jonathan fühlt sich wie hypnotisiert durch den projizierten Strom der Mikroben. Dann verschwinden sie.
    »Jetzt wollen wir einen größeren Rahmen betrachten und einen weiteren Irrtum ausräumen«, sagt Torino. »Können wir menschliche Aktivitäten, seien sie kulturell oder biologisch, von bakteriellen Aktivitäten trennen? Sind wir ein Phänomen höherer Ordnung?«
    Die Frau neben Jonathan – Rhetta oder Henrietta – nickt. Jonathan glaubt, dass ihnen in Kürze diese Illusion genommen werden soll, und beteiligt sich für einen Moment am Spiel, indem er den Kopf schüttelt. Außerdem erinnert er sich an ein wenig Biologie aus der High-school.
    »Die Evolution ist eine Art Denkprozess, die Aufstellung von Hypothesen, um Probleme zu lösen, die durch eine sich verändernde Umwelt gestellt

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