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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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sicherzustellen, dass ich die richtigen Tasten in der richtigen Reihenfolge treffe. Würde ich all diese Handlungen bewusst ausführen, würde es Jahre dauern, ein Buch wie dieses zu schreiben. Zum Glück ist mein Gehirn mit der Zeit sehr effizient geworden, was das Tippen angeht, also braucht sich mein Bewusstsein nicht darum zu kümmern, was sich hinter den Kulissen abspielt.
    Wenn das Unterbewusstsein aber so sehr damit beschäftigt ist, alle möglichen Entscheidungen zu treffen und uns dabei behilflich zu sein, auf eine Art und Weise zu funktionieren, die uns nicht bewusst ist (wie Gehen oder Atmen), was tut dann eigentlich das Bewusstsein, und ist es wirklich der Ort, an dem sich das befindet, was wir für unser »Ich« halten? Um das zu erklären, erinnert Eagleman uns daran, wie es war, als wir Auto fahren lernten. Zunächst ist man sich über alles bewusst, was man tut, weil es so neu ist, und man fragt sich, ob man jemals lernen wird, es intuitiv zu tun. Einige Jahre nachdem man die Fahrprüfung bestanden hat, merkt man, dass man dazu in der Lage ist. So arbeitet das Bewusstsein. Es wird aktiviert, um mit neuen oder ungewöhnlichen Dingen umzugehen, wie sie im täglichen Leben auftreten. Wenn man die Straße entlangfährt und sich plötzlich die Tür eines geparkten Autos öffnet oder ein Kind auf die Straße springt, dann wechselt man von Unterbewusstsein zum Bewusstsein und wird sich plötzlich darüber klar, was man tut. Untersuchungen über die Reaktionen des Gehirnsbeim Spielen am Computer haben gezeigt, dass das Gehirn unglaublich hart arbeiten muss, wenn wir mit einer neuen Aufgabe oder einem neuen Spiel konfrontiert werden. So-bald es die neuen neurologischen Verknüpfungen geschaffen hat – oder die richtige Vorgehensweise für die Aufgabe ermittelt hat –, übernimmt das Unterbewusstsein, und der Ablauf wird viel effizienter. Also wird uns zunehmend weniger bewusst, wie wir Dinge tun, die wir bereits beherrschen. Auf diese Weise lernen wir, entwickeln uns weiter und übernehmen die Kontrolle über unsere Umgebung, sei es, dass wir Gitarre spielen lernen, uns in unserer Nachbarschaft zurechtfinden oder wissen, wie wir am besten an Nahrung gelangen. Wenn wir vor bekannten Situationen stehen, ist unser Unterbewusstsein zuständig; sobald wir diese Komfortzone verlassen, übernimmt das Bewusstsein.

    All das hat sehr interessante Konsequenzen für das Reisen. Es legt nahe, dass wir aufmerksamer werden, wenn wir unseren vorhersehbaren Alltag hinter uns lassen, weil unser Bewusstsein aktiviert wird, um mit unseren neuen Erfahrungen umzugehen. Das könnte erklären, warum das Reisen so aufregend und spannend ist. Im Rückblick bietet sich somit eine interessante Erklärung für einige meiner eigenen Erfahrungen mit dem langsamen Reisen. War das plötzlich gesteigerte Glücksgefühl, das ich an der Straßenkreuzung in Frankreich empfand, als Henry und mir das Wasser ausgegangen war, etwa der Moment, in dem das Bewusstsein die Kontrolle übernahm? War der Moment des Abscheus in der Hotelbar in Warschau ein Zeichen dafür, dass mein Bewusstsein eine bekannte Situation erkannt und die Kontrolle an das Unterbewusstsein abgegeben hat? Ist das dieErklärung dafür, dass alle Sinne geschärft sind, wenn man allein unterwegs ist, im Gegensatz zu der vertrauten Atmosphäre, in der man sich befindet, wenn man mit jemandem reist, den man kennt?
    Auch die verschiedenen Arten der Zeitwahrnehmung könnten sich somit erklären lassen. Wir wissen, dass das Unterbewusstsein anders mit der Zeit umgeht. Wie oft sind Sie schon mit dem Auto eine bekannte Strecke gefahren, auf dem Weg zur Arbeit oder um die Eltern zu besuchen, und waren erstaunt, wie schnell Sie dort waren? Es ist fast so, als wären Sie mit den Gedanken ganz woanders gewesen und hätten nicht wie sonst bemerkt, wie die Zeit vergangen ist. Vergleichen Sie dies mit dem verlangsamten Gefühl, das sich einstellt, wenn Sie eine unbekannte Strecke fahren. Diese erste Fahrt scheint immer viel länger zu dauern als der Rückweg – könnte das ebenfalls mit unserem Bewusstsein bzw. Unterbewusstsein zusammenhängen? Was geschah, als ich mit einem Falken auf die Jagd ging und glaubte, ich hätte die Perspektive des Falken übernommen, weil ich die Wühlmäuse bemerkte, die vor meinen Füßen durchs Gras huschten? War das mein Bewusstsein, das die unbewusste, gewohnte Routine meiner normalen Wahrnehmung verdrängt hat, weil ich gezwungen war, im Augenblick zu leben
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