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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Kieran
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Verantwortung.

    In dem Versuch, eine weniger abstrakte Erklärung für die Art und Weise zu finden, wie sich meine Weltsicht auf unserem Milchwagen-Trip – und beim langsamen Reisen generell – verändert hat, wandte ich mich einem Buch mit dem Titel Inkognito zu, das der viel beachtete Neurowissenschaftler David Eagleman geschrieben hat. Wenn Sie denEindruck haben, dass Ihr Bewusstsein Ihr Verhalten bestimmt, dann liegen Sie falsch. In den letzten Jahrzehnten haben die Neurowissenschaftler beunruhigende Erkenntnisse darüber gewonnen, wie viel Bewusstsein wir wirklich haben. Eagleman berichtet von verschiedenen Experimenten, die beweisen, dass unser Unterbewusstsein das meiste, was wir tun, kontrolliert. In einer zitierten Studie wird Männern eine Auswahl von Frauengesichtern vorgelegt, deren Attraktivität sie bewerten sollen. Auf der Hälfte der Bilder waren Frauen mit erweiterten Pupillen abgebildet. Die Männer bewerteten diese Frauen durchgängig als attraktiver als diejenigen mit normalen Pupillen, auch wenn keiner von ihnen dies als einen Grund für seine Wahl nannte. Sie trafen eine Entscheidung, wussten aber nicht, auf welcher Grundlage sie stattfand.
    Vor einigen Jahren habe ich eine Studie von einer Gruppe von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften gelesen, in der es darum ging, wie das Gehirn Entscheidungen fällt. Verschiedenen Menschen wurde die einfache Aufgabe gestellt, entweder mit der rechten oder mit der linken Hand einen Knopf zu drücken, dabei wurden ihre Gehirnsignale aufgezeichnet. Die Testpersonen konnten selbst wählen, welche Hand sie benutzen wollten, aber sie mussten es sofort sagen, wenn sie sich entschieden hatten. Das Besondere an diesem Test war, dass die Forscher sich dafür interessierten, was passiert, bevor eine bewusste Entscheidung getroffen wird. Das erstaunliche Ergebnis war, dass die Forscher mittels der Analyse der Gehirnsignale voraussagen konnten, welche Hand die Testperson wählen würde, um den Knopf zu drücken, und zwar sieben Sekunden bevor die Testperson es selbst »wusste«. Wenn es um derartige einfache Aufgaben geht, hat unser Unterbewusstsein ganz offensichtlich die Kontrolle.Das Experiment hat zusammen mit denen, die Eagleman beschreibt, alle möglichen Konsequenzen für das Konzept des freien Willens, doch die Forscher vom Max-Planck-Institut wiesen darauf hin, dass ihr Experiment zwar zu beweisen schien, dass unser Unterbewusstsein Entscheidungen trifft, ohne dass wir es merken, sie jedoch nicht herausgefunden hatten, ob das Bewusstsein die Fähigkeit besitzt, die Entscheidungen des Unterbewusstseins zu verwerfen, wenn sie erst einmal gefallen sind.
    So viel ist klar: Unser Unterbewusstes entscheidet ständig für uns. Eagleman vergleicht es mit einer Zeitung, in der die Nachrichten auf die wichtigsten und interessantesten Meldungen reduziert werden. Sie kann nicht alle Meldungen aus der ganzen Welt enthalten, also präsentiert sie uns eine Auswahl, damit wir einen vernünftigen Eindruck davon bekommen, was so los ist. Das Bewusstsein ist die Zeitung, die das Unterbewusste geschaffen hat, um uns über seine wichtigsten Aktivitäten zu informieren, nicht über jede Kleinigkeit, die es für uns tut. Genauso verhält es sich, wenn wir denken, wir hätten eine Idee: Es stellt sich heraus, dass das Unterbewusstsein in Wirklichkeit bereits eine Weile daran gearbeitet hat; es präsentiert den Gedanken erst dann dem Bewusstsein, wenn es fertig ist, und dann halten wir inne und denken: »Wow, ich habe gerade eine großartige Idee gehabt.«
    Ich fand das besonders faszinierend, weil ich schon immer fest davon überzeugt war, dass nicht wir die Ideen, sondern dass die Ideen uns haben. Sie kommen an den merkwürdigsten Orten über einen, wenn man in der Badewanne liegt, kurz vor dem Einschlafen ist oder aus dem Fenster schaut. Man kann es nicht erzwingen, es geschieht einfach. Aber offensichtlich haben wir zumindest Ideen – wenn wir akzeptieren, dass unser Unterbewusstsein genauso zu »uns« gehört wie unser Bewusstsein.
    Eine weitere Analogie, die Neurowissenschaftler häufig verwenden, besagt, dass unser Unterbewusstsein so etwas wie ein Autopilot ist, während das Bewusstsein zum Einsatz kommt, wenn »wir« die Kontrolle übernehmen. Während ich diese Worte in meine Tastatur eintippe, bin ich mir völlig unbewusst über den Prozess, den mein Verstand, meine Augen, Arme und Hände vollziehen müssen, um

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