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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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an die Jacht? Die von unserem ersten Abend?«
    Konrad nickte.
    »Du glaubst es nicht, wir sind darauf eingeladen.«
    Elisabeth wurde Thomas’ erste Frau. Sie schenkte ihm einen Sohn, Urs. Nicht lange darauf folgte sie ihrem unsteten Herzen nach Rom. Ein kleiner Trost für Konrad und ein harter Schlag für Thomas, der nie treu, aber immer eitel gewesen war und sich jetzt seines alten Freundes erinnerte als stets verfügbaren Trösters und Gesellschafters.
    Seit damals, jenen drei Tagen auf Capri, hatte Konrad Lang sich nie mehr so gefühlt wie heute. Vielleicht war er wieder verliebt. Alt und verliebt.
    Er beschloß, mit dem Trinken aufzuhören. Wenigstens für eine Weile.
    Zu Hause fand Konrad Lang einen Brief der Bank vor, in dem ihm mitgeteilt wurde, sein Wochenlimit betrage ab sofort zweitausend Franken und könne neuerdings an jedem beliebigen Wochentag abgehoben werden.
    Er schrieb einen euphorischen Dankesbrief an Elvira Senn und reservierte einen Tisch im Chez Stavros. Er ging auf die Bank und hob tausendzweihundert Franken ab. Dann kaufte er etwas Wildlachs, eine Zwiebel, Toast, Zitrone und Kapern und vier Flaschen »San Pellegrino« und nahm am offenen Wohnzimmerfenster einen gepflegten kleinen Imbiß zu sich, mit viel Mineralwasser über Eis und Zitrone.
    Nach dem Essen spülte er das Geschirr und setzte sich zur Feier des Tages an sein Keyboard.
    Vor etwa zwei Jahren hatte er in einem Lokal in Korfu einem Pianisten über die Schulter geschaut, der auf seinem Klavier ein kleines Keyboard stehen hatte, und begriffen, daß das Instrument die linke Hand von allein spielte. Das klang zwar etwas roboterhaft, aber eindeutig besser als ohne.
    Gleich am nächsten Tag schaffte er sich ein billiges Keyboard an, das dann aber wie alle seine Habseligkeiten dem Brand zum Opfer fiel. Dafür setzte er ein etwas teureres Modell mit mehr Möglichkeiten auf die Liste der Lebensnotwendigkeiten, die er zu Händen der Kochs für seine Wohnung aufstellen durfte. Seither spielte er ab und zu für sich und manchmal für seine seltenen Gäste, meistens für Barbara.
    Aber als er sich jetzt an das Keyboard setzte, fand er den Schalter nicht. Das ist ja lächerlich, dachte er, ich habe das Ding schon tausendmal ein- und ausgeschaltet. Er mußte das Instrument systematisch absuchen, bis er nach zwei, drei Minuten den Schalter fand.
    »Liebe macht eben doch blind«, murmelte er.
    Doris Maag, die Politesse, sah müde aus, als sie direkt vom Dienst in Uniform in den Rosenhof kam und sich an Barbaras Tischchen beim Buffet setzte.
    »Also, wo brennt’s?«
    »Koni ist verschwunden.«
    »Wie verschwunden?«
    »Seit Tagen ist er hier nicht mehr aufgetaucht. Gestern habe ich bei ihm angerufen: niemand. Heute wieder: niemand.«
    »Vielleicht hat er das Lokal gewechselt«, schlug Doris vor.
    »Das glaub ich nicht, pleite, wie er ist.«
    »Vielleicht hat er eine andere Dumme gefunden, die ihm Kredit gibt.«
    Barbara stand auf. »Weißwein?«
    »Campari.«
    Barbara ging ans Buffet und kam mit einem Glas Campari mit Eis und Zitrone und einer Flasche Mineralwasser zurück. »Sag ›Halt‹.«
    »Ganz voll.«
    Barbara füllte das Glas bis oben mit Mineralwasser. »Pröschtli«, sagte sie gewohnheitsmäßig.
    Doris nahm einen Schluck. »Orange, nicht Zitrone. In den Campari gehört ein Schnitz Orange, nicht Zitrone. Das machen alle falsch.«
    »Wenn es alle falsch machen, ist es nicht mehr falsch.« Barbara setzte sich wieder. »Tagsüber nimmt er auch nicht ab. Und im Blauen Kreuz war er auch nicht.«
    Doris Maag wurde dienstlich. »Die meisten Vermißten tauchen wieder auf. Fast immer gibt es eine ganz banale Erklärung für ihr Verschwinden.«
    »Das paßt irgendwie nicht zu ihm.«
    »Das sagen sie immer.«
    »Und er schuldet mir 1645.«
    »In gewissen Kreisen reicht das bereits zum Verschwinden.«
    »Nicht in seinen.«
    Barbara stand auf und ging zu einem Gast, dessen Winken sie ein paarmal übersehen hatte und der jetzt energisch mit einem Fünfliber auf den Tisch klopfte. Als sie zurückkam, sagte sie: »In letzter Zeit war er oft deprimiert. Wegen nichts kamen ihm die Tränen.«
    »Das trunkene Elend.«
    »Auch das ist ein Elend. Die meisten Leute, die sich umbringen, sind besoffen.«
    »Der bringt sich nicht um.«
    »Manchmal hört man von Leuten, die liegen wochenlang tot in ihrer Wohnung, und kein Schwein merkt es.«
    »Kürzlich hatte einer ein Schlägli in der Badewanne und konnte nicht raus und nicht ans Telefon, und niemand hörte ihn.

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