Small World (German Edition)
frische Wäsche, ein paar Kleider und sonst ein paar Sachen holen, als er die Stimmen vor der Wohnungstür hörte.
Der Hauswart und die Politesse verabschiedeten sich schnell. Barbara blieb. Sie fand, er sei ihr eine Erklärung schuldig.
Konrad gab sie ihr gern. Voller Enthusiasmus erzählte er der immer stiller werdenden Barbara von der großen glücklichen Wende in seinem Leben. Als er geendet hatte, fragte er beiläufig: »Wieviel bin ich dir schuldig?«
»Tausendsechshundertfünfundvierzig«, gab sie zur Antwort.
Konrad Lang zückte seine Brieftasche und zählte ihr tausendachthundert Franken auf den Tisch.
»Ich nehme keine Zinsen«, sagte sie und gab ihm aus ihrem großen Kellnerportemonnaie heraus.
»Freust du dich nicht für mich?« fragte Konrad.
»Doch«, antwortete Barbara. Es stimmte ja auch. Sie war nicht eifersüchtig. Aber sie verlor nicht gern den einzigen Menschen, bei dem es sie nicht störte, daß er sie ausnützte.
Konrad Lang bestellte ein Taxi, nahm sein Köfferchen und setzte Barbara vor ihrer Wohnung ab.
An der Haustür gab er ihr einen väterlichen Kuß. »Mach’s gut. Und: danke für alles.«
»Mach’s auch gut«, erwiderte Barbara.
3
Auf beiden Seiten der Straße vor der »Villa Rhododendron« parkten frischgewaschene Autos, keines unter hunderttausend Franken. Die Stadtpolizei wies die ankommenden Gäste ein und lotste den Durchgangsverkehr durch die schmale Gasse zwischen dem Wagenpark. »Wie wenn wir nichts Gescheiteres zu tun hätten, als Parkwächter für Multimillionäre zu spielen«, hatte der diensthabende Offizier gemault, als er den Auftrag von seinem Vorgesetzten erhalten hatte. Dieser hatte eine hilflose Bewegung gemacht und nach oben gezeigt.
Vor dem Eisentor verglichen zwei Uniformierte eines privaten Wachdienstes die Einladungen mit der Gästeliste und behielten die Fotografen im Auge, die auf eine Gelegenheit lauerten, um hineinzuschlüpfen.
»Wenn solche Leute Hochzeit feiern, spielt sogar das Wetter mit«, sagte der Reporter des Boulevardblattes zum Reporter des Lokalblattes. »Bei uns hat es geschifft.«
Es war wirklich ein unverschämt schöner Sommertag. Ein paar saubere Schönwetterwölkchen schwebten am tiefblauen Himmel, ein Lüftchen sorgte dafür, daß die strahlende Junisonne nicht zu heiß wurde, es duftete schon nach Lindenblüten und den Heckenröschen an den Grundstücksmauern.
Der Park der Villa sah aus wie das Hauptquartier eines Heerlagers während der Napoleonischen Kriege. Überall Zelte, beflaggt mit Wimpeln und Fahnen von Nationen, die nur in der Phantasie des Eventdesigners existierten.
Die Gäste saßen auf Fauteuils an weißgedeckten, blumenübersäten Tafeln in den nach allen vier Seiten offenen Zelten. Oder unter den alten Bäumen auf langen Bänken vor hölzernen Festtischen. Oder sie lagerten in malerischen Grüppchen auf Picknickdecken im gepflegten Rasen.
An verschiedenen Punkten des Parks wechselten sich Streichquartette, Country Bands, Tanzorchester und Ländlerkapellen ab.
Ein angemessenes Hochzeitsfest für den Erben der Koch-Werke.
Urs Koch machte die Honneurs bei den Gästen. Überall, wo er mit seiner süßen Braut auftauchte, klatschte man, küßte das Paar und gratulierte den beiden zueinander und zum gelungenen Anlaß und zum herrlichen Wetter.
An der Brüstung der Veranda stand Thomas Kochs dritte Frau Elli und schaute dem Treiben zu.
Als Thomas sie Anfang der Siebzigerjahre kennengelernt hatte, hatte Karl Lagerfeld vor kurzem die Leitung von Chanel übernommen. Elli Friedrichsen war eines seiner Lieblingsmannequins gewesen. Ein Jahr später hatte sie Thomas Koch geheiratet. Zehn Jahre später lebte sie ihr eigenes Leben, so weit weg von Thomas wie möglich.
Neben ihr lehnte Inga Bauer, eine Schwedin, die viele Jahre jünger war als Elli und mit fünfundzwanzig einen Industriellen aus Thomas Kochs Bekanntenkreis geheiratet hatte.
Die beiden Frauen hatten sich rasch angefreundet. Elli war für Inga der einzige Halt in dieser seltsamen Mischung aus Biederkeit und Dekadenz geworden, die in den Kreisen der Schweizer Hochfinanz herrscht. Elli gefiel an Inga, daß sie sich auch von zehn Jahren Bauer-Clan nicht hatte desillusionieren lassen. Sie hatte sich, so gut es ging, ihre Ideale bewahrt und besaß eine erfrischende Art, ihre Meinung über falsch und richtig kundzutun.
»Wenn ich gewußt hätte, daß Koni nicht eingeladen ist, wäre ich nicht gekommen.«
»Ein großes Opfer für einen alten
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