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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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fast eine Dreiviertelstunde zu früh am Bahnhof waren. Er suchte immer wieder nach den Fahrkarten, zählte pausenlos die Gepäckstücke und war während der ganzen Fahrt im bequemen Erster-Klasse-Abteil und im nostalgischen Speisewagen so angespannt und unkonzentriert, daß sie ganz erschöpft war, als sie schließlich ankamen.
    Frau Candrian, die Frau, die sich um das Haus kümmerte, hatte sich große Mühe gegeben. Die Zimmer waren gelüftet und geputzt, die Betten bezogen, der Kühlschrank gefüllt. Auf dem Büffet im Entrée stand ein Adventskranz, und auf dem warmen Kachelofen in der Arvenstube dufteten getrocknete Apfelschalen.
    Rosemarie hatte es kaum erwarten können, Konrad den Ort zu zeigen, der ihr einmal so viel bedeutet hatte und, mit ihm, wieder bedeuten würde. Aber als sie ihn durch das alte Haus führte, war er auf eine Art zerstreut und unaufmerksam, die an Unhöflichkeit grenzte.
    Sie gingen früh zu Bett. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, lag beim Einschlafen etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen.
    Am nächsten Tag fand Rosemarie Konrads Gedächtnisstützen.
    Konrad schlief, wie er es neuerdings öfter tat, bis in den späten Vormittag hinein. Rosemarie machte Frühstück. Dabei fand sie im Kühlschrank Konrads Brieftasche.
    Als sie die auf den Küchentisch legte, fiel ein Zettel heraus. Er war beidseitig beschrieben. Auf der einen Seite eine Wegskizze mit der Lage des Metzgers, der Bäckerei, des Kiosks und des Einkaufszentrums und ihrer Wohnung, neben der »Wir« stand. Auf der anderen Seite Namen von guten Bekannten, Nachbarn, der Putzfrau. Zuunterst, dick unterstrichen, stand: »Sie: Rosemarie!«
    Rosemarie steckte den Zettel zurück in die Brieftasche. Als Konrad aufgestanden war, schlug sie ihm einen Spaziergang zum Stazersee vor.
    Der Weihnachtsrummel hatte noch nicht angefangen. Auf den frisch geräumten Wegen durch den tiefverschneiten Wald begegneten sie nur wenigen Spaziergängern. Die meisten waren wie sie: gutsituierte Paare, die keine Rücksicht mehr auf Schulferien und offizielle Feiertage zu nehmen brauchten. Wenn sie sich näherten, verstummten sie, wenn sich ihre Wege kreuzten, sagten sie »Grüezi« oder »Grüß Gott«, dann hörte man in der Stille das Knarzen von vier Paar teuren Schneestiefeln im festgestampften Neuschnee, und dann von weitem die Stimmen, die das unterbrochene Gespräch wieder aufnahmen.
    »Das kennst du doch auch: Du gehst in die Küche, weil du den Schöpflöffel vergessen hast, und dann stehst du in der Küche und weißt nicht mehr, was du hier wolltest.«
    Rosemarie hatte sich bei Konrad eingehängt. Sie nickte.
    »So ist es«, fuhr Konrad fort, »nur extremer. Du stehst mit dem Schöpflöffel in der Hand im Schlafzimmer und weißt nicht, was du hier willst. Du gehst damit ins Wohnzimmer, ins Bad, in die Küche, ins Eßzimmer, und es fällt dir nicht ein, was du mit dem Schöpflöffel vorhattest.«
    »Und schließlich versteckst du ihn im Wäscheschrank«, ergänzte Rosemarie.
    »Kennst du das auch?«
    »Dort habe ich ihn gefunden.«
    Schweigend gingen sie weiter. Rosemarie hatte vor einer halben Stunde das Thema angeschnitten. Nach längerem Zögern – sie hatte sich einen schonenden Einstieg zurechtgelegt, der ihr zunehmend blöder vorgekommen war. Schließlich entschied sie sich für den direkten Weg. »Mir ist der Zettel in die Hände gekommen, mit dem du unsere Wohnung findest und dich an meinen Namen erinnerst.«
    »Wo?« hatte er gefragt.
    »Im Kühlschrank.«
    Er lachte. Damit schien das Eis gebrochen. Er erzählte ihr alles. Alles, woran er sich erinnern konnte.
    Ein Paar kam ihnen entgegen, verstummte, grüßte und verschwand aus ihrem Blickfeld. Nach einer Weile sagte Rosemarie sachte:
    »Das war nicht das erste Mal, daß ich Dinge an seltsamen Orten fand.«
    »Zum Beispiel?«
    »Socken im Backofen.«
    »Im Backofen? Warum hast du nichts gesagt?«
    »Ich hielt es nicht für wichtig. Eine kleine Zerstreutheit.«
    »Was noch?«
    »Ach, nichts.«
    »Du hast gesagt ›Dinge‹.«
    Rosemarie drückte seinen Arm. »Kondome im Tiefkühlfach.«
    »Kondome?« Konrad lachte verlegen.
    »Himbeeraroma.«
    Er blieb stehen. »Bist du sicher?«
    »Es stand drauf.«
    »Ich meine, bist du sicher mit dem Tiefkühlfach.« Konrad klang jetzt etwas gereizt. Rosemarie nickte.
    »Und warum hast du nichts gesagt?«
    »Ich wollte nicht… ach, ich weiß nicht.«
    Langsam gingen sie weiter. Konrad entspannte sich. Plötzlich lachte er auf. »Mit

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