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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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fürchte, ich habe Alzheimer.«
    »Daß Sie mir das so sagen, Herr Lang, spricht eigentlich gegen die Diagnose. Solche Blackouts können viele Ursachen haben.«
    »Mir wäre es trotzdem lieber, Sie untersuchten mich auf Alzheimer. Frau Haug und ich haben nämlich vor zu heiraten.«
    Die Mitteilung kam unerwartet für Dr. Wirth. Er brauchte einen Moment, bis er seine Sachlichkeit zurückgewonnen hatte. »Es gibt leider bis heute keine zuverlässige Diagnose für Alzheimer Demenz. Das einzige, was wir versuchen können, ist, die anderen Ursachen auszuschließen. Aber selbst wenn wir sie alle ausschließen könnten, wüßten wir immer noch nicht, ob Sie Alzheimer haben. Nicht mit letzter Sicherheit.«
    »Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit?«
    »Das schon.«
    »Dann lassen Sie uns anfangen auszuschließen.«
    Dr. Wirth setzte sich neben das Bett, öffnete sein Köfferchen und nahm ein paar Papiere heraus. »Ich werde Ihnen jetzt dreißig Fragen und Aufgaben stellen.«
    »Ein Test?«
    »Eine Art Bestandsaufnahme.«
    »Schießen Sie los.«
    »Welcher Wochentag ist heute?«
    »Keine Ahnung. Dienstag?«
    »Donnerstag.« Dr. Wirth machte ein Kreuz auf seinen Fragebogen. »Neunzehnhundertwieviel?«
    »Dreiundsiebzig?«
    Dr. Wirth machte sein Kreuz. »Welche Jahreszeit?«
    »Dreiundneunzig, wollte ich sagen.«
    »Wir sind bei der Jahreszeit.«
    »Sechsundneunzig? Ich weiß doch, welches Jahr wir schreiben.«
    »Ist es Frühling, Sommer, Herbst oder Winter?«
    »Schauen Sie doch raus! Winter.«
    »Welcher Monat?«
    »Dezember. Nein, Januar. Ich bleibe bei Januar.«
    »Den wievielten?«
    »Nächste Frage.«
    »Wo sind wir hier?«
    »Im Spital.«
    »In welchem Stockwerk?«
    »Ich war bewußtlos, als man mich hierher brachte.«
    »In welcher Ortschaft?«
    »Wenn ich das mitgekriegt hätte, wüßte ich auch das Stockwerk.«
    »Welcher Kanton?«
    »Graubünden.«
    »Welches Land?«
    »Griechenland.«
    »Bitte sprechen Sie mir nach: Zitrone.«
    »Zitrone.«
    »Schlüssel.«
    »Schlüssel.«
    »Ball.«
    »Ball.«
    »Und jetzt ziehen Sie bitte sieben von hundert ab.«
    Konrad wiederholte: »Und jetzt ziehen Sie bitte sieben von hundert ab.«
    »Nein, das ist jetzt eine Rechenaufgabe. Bitte führen Sie sie aus.«
    Konrad Lang rechnete. Dr. Wirth wartete geduldig.
    »Der Wechsel ist so abrupt.«
    »Das ist Absicht.«
    Konrad Lang rechnete. »Dreiundneunzig.«
    »Und davon wieder sieben abziehen.«
    Viermal zog Konrad Lang die Zahl Sieben vom jeweiligen Resultat ab. Es fiel ihm nicht leicht, aber es gelang ihm.
    »Das war sehr gut«, sagte Dr. Wirth. »Welches waren die drei Wörter, die Sie mir vorhin nachgesprochen haben?«
    »Drei Wörter?«
    »Ich bat Sie doch, mir drei Wörter nachzusprechen. Können Sie sich erinnern?«
    »Wenn ich gewußt hätte, daß ich sie mir merken muß, könnte ich mich jetzt daran erinnern.«
    Dr. Wirth machte drei Kreuze und hielt dann seinen Bleistift hoch. »Was ist das?«
    »Der Test ist unfair. Wenn man die Spielregeln nicht vorher kennt, hat man keine Chance.«
    Dr. Wirth hielt immer noch seinen Bleistift hoch. »Bitte, Herr Lang: Was ist das?«
    »Zum Schreiben.«
    Dr. Wirth machte sein Kreuz. Dann zeigte er auf seine Armbanduhr. »Und das?«
    »Zitrone. Eines war Zitrone.«
    »Von den drei Wörtern?«
    »Eines war Zitrone. Oder Ball.«
    »Ball oder Zitrone?«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    Dr. Wirth zeigte auf die Uhr.
    »Elf?« riet Konrad Lang.
    Der Arzt machte sein Kreuz. »Sprechen Sie mir bitte folgenden Satz nach: Bitte keine Wenn und Aber .«
    »Bitte kein Wenn und Aber. Es heißt kein, nicht keine.«
    Dr. Wirth gab ihm ein Blatt Papier. »Nehmen Sie dieses Blatt in die rechte Hand.«
    Konrad Lang nahm es.
    »Falten Sie es in der Mitte.«
    Lang faltete es.
    »Lassen Sie es auf den Boden fallen.«
    Konrad Lang schaute Dr. Wirth verwundert an, zuckte mit den Schultern und warf das Blatt über den Bettrand. Es segelte zwei Meter, dann lag es auf dem gebohnerten Linoleum.
    Der Arzt gab ihm ein weiteres Blatt Papier. Darauf stand: »Lesen Sie: Schließen Sie beide Augen! und führen Sie es aus.«
    Lang zuckte die Schultern und sah Dr. Wirth verständnislos an.
    »Sie sollen: Schließen Sie beide Augen! lesen und es tun.«
    Lang verstand nicht. »Nächste Frage.«
    Dr. Wirth gab ihm wieder ein Blatt. »Schreiben Sie irgendeinen Satz auf dieses Blatt.«
    Konrad Lang schrieb: »Wer von uns beiden spinnt?« und gab es ihm zurück. Dr. Wirth las es, lächelte säuerlich und gab ihm ein

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