Small World (German Edition)
Beamte.
»Wenn nichts passiert wäre, hätte man ihn bestimmt inzwischen gefunden.«
»Manchmal gehen sie in fremde Häuser. Bis sie dann dort jemand findet und uns anruft – das kann ewig dauern.«
Der jüngere Beamte fragte: »Keller, Garage, Luftschutzräume: alles überprüft?«
Rosemarie nickte.
»Nachbarn?«
Rosemarie nickte.
Die zwei Polizisten verabschiedeten sich. »Sobald Sie etwas hören, eins eins sieben«, sagte der Jüngere beim Lift.
»Sie können sich darauf verlassen«, antwortete Rosemarie.
»Machen Sie sich keine Sorgen, der taucht wieder auf«, rief der Ältere, während sich die Lifttür schloß.
»Und sei es aus dem See«, grinste er, als der Lift anfuhr.
Unter den Rhododendren war es dunkel. Durch das dichte Blätterdach sah Konikoni Schnipsel des dunstigen Oktoberhimmels. Das Moorbeet war feucht und kühl und roch nach Herbst und Moder. Unter den Steinen, die den Granitplattenweg säumten, lebten graue Kellerasseln. Wenn er sie mit dem Finger berührte, rollten sie ihre Panzer zu Kugeln, mit denen er Murmeln spielen konnte.
Vor einer Stunde hatte der Gärtner keinen Meter vor ihm Laub gerecht. Konikoni rührte sich nicht, und der Gärtner entfernte sich langsam.
Später gingen alte Frauenbeine vorbei. Kurz darauf junge. Jetzt war es still.
Eine Amsel trippelte über den Weg. An der Beeteinfassung stocherte sie kurz im Torf, und das Ende eines Regenwurmes kam zum Vorschein. Sie zog daran und hielt plötzlich inne. Ihr ausdrucksloses Auge hatte ihn entdeckt. Er hielt den Atem an.
Die Amsel riß den Wurm vollends aus der Erde und machte sich davon.
Der Wind trug den Geruch eines Laubfeuers herbei.
Wenn sie rufen, gebe ich keine Antwort, nahm sich Konikoni vor.
Als Rosemarie gegen Mittag auf die Terrasse trat, sah sie ein Polizeiboot, das langsam das Ufer entlangtuckerte. Am See erkannte sie Polizisten in blauen Überkleidern. Sie bildeten jetzt zwei Gruppen, die in entgegengesetzten Richtungen das Seeufer entlanggingen.
Kurz darauf tat sie etwas, das sie von sich selbst nie erwartet hätte: Sie rief Thomas Koch an.
Thomas Koch war nicht einfach zu erreichen. »Es ist privat«, reichte nicht, um verbunden zu werden. »Es handelt sich um einen Notfall« auch nicht. Erst als sie sagte: »Ein Unglücksfall in der Familie«, hatte sie kurze Zeit später Thomas Koch am Draht.
»Konrad Lang gehört nicht zur Familie«, schnappte er, als sie ihm erklärt hatte, worum es ging.
»Ich wußte mir nicht anders zu helfen.«
»Und was erwarten Sie von mir? Soll ich ihn suchen gehen?«
»Ich habe gehofft, Sie könnten Ihren Einfluß geltend machen. Mir scheint, die Polizei nimmt die Sache nicht ernst.«
»Wer sagt, daß ich Einfluß bei der Polizei habe?«
»Konrad.«
»Da muß er wohl schon etwas durcheinander gewesen sein.«
Rosemarie legte auf.
Simone Koch hatte sich die Ehe anders vorgestellt. Sie war jetzt ein Jahr und vier Monate mit Urs Koch verheiratet und befand sich bereits in ihrer sechsten Ehekrise. Dabei hatte sie ihre Erwartungen nicht zu hoch gesteckt. Sie hatte gewußt, daß Urs eine sehr dominante Persönlichkeit war, und hatte sich darauf gefaßt gemacht, daß es meistens nach seinem Kopf gehen würde. Sie war auch darauf vorbereitet gewesen, daß er viele geschäftliche und auch einige gesellschaftliche Verpflichtungen besaß, bei denen sie nicht immer dabeisein würde. Simone hatte nicht viele eigene Interessen, und es fiel ihr daher nicht schwer, die eines anderen zu ihren eigenen zu machen. Sie interessierte sich für elektronische Hochtemperaturüberwachungsanlagen, Rallyefahren, die Tokioter Börse, Fasanenjagd in Niederösterreich, Military-Reiten, Golf und die Arbeiten einer jungen Textildesignerin, bis sie sie mit Urs Hand in Hand in einem kleinen Restaurant erwischte. Simone hatte sich dort mit einer Freundin verabredet. Urs war durch ein Geschäftsessen verhindert.
Sie war so verblüfft gewesen, daß sie gelacht hatte. Dann war sie aus dem Lokal gerannt und ihrer Freundin begegnet, die gerade ihr Taxi bezahlte.
»Komm, wir gehen woanders hin, hier ist es rammelvoll.«
Sie gingen in ein anderes Lokal, und Simone verschwieg Judith den Vorfall, obwohl sie ihre beste Freundin war. Sie hätte sich zu sehr geschämt, zugeben zu müssen, daß ihr Mann sie schon nach sechs Wochen Ehe betrog.
Erst zu Hause weinte sie. Urs blieb die ganze Nacht weg. Wenn sie nicht gelacht hätte, sagte er ihr später, wäre er nach Hause gekommen.
Das war Simone Kochs erste
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