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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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sich zur Fichtenstraße 12 fahren lassen. Daß er ihm für die Fahrt statt zweiunddreißig Franken hundert bezahlt hatte, erwähnte er nicht.
    Fichtenstraße 12 war eine Villa aus den Gründerjahren, die zu einem Bürohaus umgebaut worden war. Niemand dort kannte Konrad Lang oder hatte einen älteren Herrn mit einem Kissen beobachtet. Aber weil der Taxifahrer darauf bestand, daß er ihn zu dieser Adresse gebracht und gesehen habe, wie er das Grundstück betrat, bat Polizeiwachtmeister Staub um Erlaubnis, sich im Garten umsehen zu dürfen, und forderte einen Hund an.
    Der Garten hinter der Villa war düster und verwildert. Er stieg in zwei Terrassen gegen den Hang an. Auf der obersten befand sich ein bemooster, längst von großen Tannen überschatteter Wäscheplatz mit verrosteten Teppichstangen. Gleich dahinter grenzte eine dichte Thujahecke das Land gegen das Nachbargrundstück ab.
    Zu dieser Hecke führte Senta, die Schäferhündin, ihren Hundeführer. Als er sie losband, verschwand sie im Gestrüpp. Nach einer Weile hörten die Polizisten, wie sie im Nachbargrundstück Witterung aufnahm.
    Der Hundeführer zwängte sich durchs Dickicht und stieß auf einen eisernen Staketenzaun, dem er in der Richtung, in der Senta verschwunden war, folgte. Schon nach wenigen Metern erreichte er ein schmales Tor, das halb offenstand. Dahinter einige überwachsene Stufen, die ins Unterholz des Nachbargrundstücks führten.
    Der »Villa Rhododendron«.
    Als die Polizisten am Eisentor zur »Villa Rhododendron« läuteten, öffnete ihnen ein überraschter Herr Hugli.
    »Schon da?« sagte er. Es war höchstens eine Minute her, daß er auf Geheiß von Thomas Koch die Polizei benachrichtigt hatte.
    Polizeiwachtmeister Staub räusperte sich. »Wir suchen eine vermißte Person und haben Grund zur Annahme, daß sie sich hier auf dem Grundstück befindet«, erklärte er.
    »Und ob«, antwortete Herr Hugli und führte sie ins Haus.
    In der Halle der Villa standen Elvira und Thomas Koch vor einem geschnitzten, mittelalterlich anmutenden Stuhl von den Ausmaßen eines Thrones, auf dem die traurige Gestalt Konrad Langs saß, zerzaust, unrasiert und teilnahmslos im zerknitterten, erdverkrusteten Anzug. Neben ihm stand Simone Koch, die versuchte, ihm heißen Tee einzuflößen.
    Als die Polizisten kamen, ging Thomas Koch auf sie zu. »Ah, meine Herren, das ging aber schnell. Bitte kümmern Sie sich um ihn. Man hat ihn hier auf dem Grundstück aufgegriffen. Es handelt sich um Konrad Lang. Er ist geistig verwirrt.«
    Polizeiwachtmeister Staub trat an Konrad Langs Stuhl heran. »Herr Lang?« fragte er lauter als nötig. »Sind Sie in Ordnung?«
    Konrad nickte.
    Etwas leiser sagte Staub zu Elvira und Thomas: »Seit gestern vermißt.«
    Und wieder lauter zu Konrad: »Sie machen Sachen!«
    »Keine Ahnung, wie der hier hereingekommen ist«, sagte Thomas Koch zu Polizeiwachtmeister Staub.
    »Wir schon: durch die kleine Tür beim unteren Nachbargrundstück.«
    »Eine Tür?« fragte Thomas Koch.
    »Dort unten gibt es eine verrostete Gittertür, kaum zugänglich und wohl schon ewig nicht mehr benutzt. Wußten Sie das nicht?«
    Elvira antwortete für ihn. »Ich hatte es vergessen. In der Villa dort unten wohnte ein Freund meines ersten Mannes. Aber der zog noch zu Lebzeiten von Wilhelm weg. Seither wurde die Tür nicht mehr benutzt.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Sechzig Jahre«, sagte Elvira, mehr zu sich selbst.
    Thomas schüttelte den Kopf. »Davon hatte ich keine Ahnung.«
    »Ich würde etwas dagegen unternehmen, da kann jeder rein«, riet ihm Staub. Dann wandte er sich wieder mit lauter Stimme an Konrad:
    »Kommen Sie, wir bringen Sie jetzt nach Hause.«
    Konrad schaute den Polizisten verständnislos an. »Ich bin doch zu Hause.«
    Die Kochs und die Polizisten tauschten ein Lächeln aus. »Ja, ja. Ins andere Zuhause bringen wir Sie jetzt.«
    Konrad überlegte einen Moment. »Ach so«, murmelte er schließlich und stand auf. Er schaute Thomas Koch an. »An die Tür erinnerst du dich nicht?«
    Thomas schüttelte den Kopf.
    Konrad verdeckte seinen Mund halb mit der Hand und raunte ihm zu: »Die Piratentür.« Dann nahm er Simones Hand. »Danke.«
    »Nichts zu danken«, antwortete Simone.
    Er schaute sie einen Moment prüfend an. »Kennen wir uns nicht aus Biarritz?«
    »Schon möglich«, erwiderte Simone. Die Polizisten brachten Konrad Lang hinaus. Simone ging mit.
    Thomas Koch schüttelte den Kopf. »Die Piratentür. Die Piratentür. Irgend etwas klickt.

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