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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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nicht einfach ins Heim stecken.«
    »Ich schreibe ihm ein Attest, mit dem er innerhalb kürzester Zeit entmündigt ist.«
    Eine Weile schauten sie schweigend auf die erleuchtete Dachterrasse. Ein Wind war aufgekommen und beutelte die Zierrebe an der Brüstung.
    »Ich habe Frauen erlebt, Ehefrauen, die dreißig, vierzig Jahre mit ihren Männern gelebt hatten, die sich ein Leben ohne sie überhaupt nicht vorstellen konnten, die mir sagten: Wenn ich ihn nicht bald aus dem Haus habe, fange ich an, ihn zu hassen.«
    Rosemarie sagte nichts.
    »Liebst du ihn?«
    Rosemarie überlegte. »Ich war ein Jahr lang sehr verliebt.«
    »Das reicht nicht für fünf Jahre Hintern wischen.«
    Der Wind klatschte jetzt schwere Regentropfen an die Terrassenfenster.
    »Du siehst schlecht aus.«
    »Danke.«
    »Ich sage dir das, weil es mir nicht egal ist, wie du aussiehst.«
    Rosemarie schaute auf und lächelte. »Vielleicht nehme ich eine Hauspflege. Wenigstens für die Nacht.«
    Als Konrad Lang erwachte, war es dunkel. Er lag in einem fremden Bett. Es war schmal und hoch, und Elisabeth lag nicht neben ihm. Er wollte aufstehen, aber das ging nicht. Auf beiden Seiten des Bettes waren Gitter.
    »He!« rief er. Und dann lauter: »Hehehehe!«
    Niemand kam. Alles blieb dunkel.
    Er rüttelte am Gitter. Das machte viel Lärm. »Hehehehe!« rief er im Takt des Schepperns. Und schließlich: »Hilfe!«
    »Hilfe!« – »Hehehehe!« – »Hilfe!«
    Die Tür ging auf, und im hell erleuchteten Viereck des Rahmens stand eine massige Gestalt. Das Licht im Zimmer ging an. »Was ist los, Herr Lang?«
    Konrad Lang kniete im Bett und umklammerte die Stäbe des niedrigen Gitters.
    »Ich bin eingesperrt«, keuchte er.
    Die Pflegerin kam zum Bett. Sie trug eine weiße Schürze, und an einem Band baumelte eine Lesebrille vom mächtigen Busen. Sie hängte das Gitter aus.
    »Sie sind nicht eingesperrt. Das ist nur, damit Sie nicht wieder aus dem Bett fallen. Sie können jederzeit heraus.« Sie zeigte auf den Klingelknopf am Haltegriff über dem Spitalbett. »Sie brauchen nur hier zu klingeln. So wecken Sie Frau Haug nicht auf.«
    Konrad kannte keine Frau Haug. Er begann aus dem Bett zu klettern.
    »Müssen Sie aufs Klo?«
    Konrad antwortete nicht. Er würde jetzt Elisabeth suchen gehen. Aber das ging die Frau nichts an.
    Er stand neben dem Bett und schaute sich im fremden Zimmer um. Seine Kleider hatten sie auch verschwinden lassen. Aber damit hielten sie ihn nicht auf.
    Als er zur Tür gehen wollte, hielt ihn die Frau am Arm zurück. Er versuchte, sie loszuschütteln. Aber sie hielt ihn fest.
    »Loslassen«, sagte er, ganz ruhig.
    »Wohin wollen Sie denn, Herr Lang. Es ist zwei Uhr morgens.«
    »Loslassen.«
    »Seien Sie lieb, Herr Lang. Jetzt schlafen Sie noch ein, zwei Stündchen, und dann ist es hell, und Sie gehen spazieren.«
    Konrad riß sich los und rannte zur Tür. Die Pflegerin folgte ihm und erwischte ihn am Ärmel, der mit einem lauten Geräusch riß. Konrad schlug um sich und traf die Frau im Gesicht. Sie schlug zurück, zweimal.
    In diesem Moment ging die Tür auf, und Rosemarie stand vor den beiden.
    »Elisabeth«, sagte Konrad. Er fing an zu weinen.
    Das war die zweite Hauspflege, die Rosemarie entließ. Die erste hatte sie zwar nicht dabei erwischt, wie sie Konrad schlug. Aber eines Morgens hatte er blaue Flecken am Oberarm und ein blaues Auge gehabt. Die Frau hatte behauptet, er sei in der Badewanne ausgerutscht. Konrad konnte sich an nichts erinnern.
    Die Verwalterin des Pflegedienstes weigerte sich, Rosemarie einen Ersatz zu schicken. »Herr Lang ist ein aggressiver Patient, da kann es schon einmal passieren, daß jemand zurückschlägt«, war ihr Standpunkt.
    Es war wieder Felix Wirth, der ihr half. Er kannte eine ehemalige Schwester, die zwei Kinder aufgezogen hatte und sich jetzt überlegte, wieder in den Beruf einzusteigen. Eine gut bezahlte, private Nachtpflegestelle kam ihr sehr gelegen.
    Sie hieß Sophie Berger und war bereit, am gleichen Abend probeweise anzufangen.
    Sie war eine schlanke, große, rothaarige Frau Mitte Vierzig. Als sie ihren Dienst antrat, zeigte sich Konrad von seiner besten Seite: »Small World!« rief er aus, plauderte angeregt mit ihr und benahm sich wie der gewandte Gastgeber, der er einmal gewesen war.
    Als er ins Bett ging und Sophie Berger ihm erklärte, sie bleibe heute nacht hier und falls er etwas brauche, solle er ungeniert klingeln, zwinkerte er und sagte: »Worauf du dich verlassen

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