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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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kannst.«
    »Anzüglichkeiten und Vertraulichkeiten sind sonst überhaupt nicht seine Art«, entschuldigte sich Rosemarie, als Konrad gegangen war.
    »Das wäre der erste«, lachte Sophie Berger.
    Aber so harmonisch der Abend verlaufen war, die Nacht war ein Alptraum. Immer wieder hörte Rosemarie Türen schlagen, das Rütteln am Gitter des Stahlrohrbettes und Konrads Stimme.
    Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, stand auf und ging zu seinem Zimmer. Konrad kauerte in einer Ecke seines Bettes und hielt schützend beide Hände über den Kopf. Die Nachtschwester stand am Fußende des Bettes und hatte Tränen in den Augen. »Nicht angefaßt habe ich ihn«, sagte sie, als Rosemarie das Zimmer betrat, »nicht ein Härchen gekrümmt.«
    Konrad sagte immer wieder: »Mama Anna soll weg. Mama Anna soll weg.«
    Am nächsten Tag verschwand Konrad Lang. Beim Frühstück aß er mit ungewöhnlichem Appetit. Die Nachtschwester erwähnte er mit keiner Silbe. Rosemarie half ihm, sich anzuziehen, und tat die Dinge, die man ihr beigebracht hatte, um seinen Bezug zur Realität herzustellen.
    »Ein richtig schöner Herbsttag, so warm für Ende Oktober«, sagte sie und: »Was haben wir heute, Dienstag oder Mittwoch?«
    Er antwortete wie immer in letzter Zeit: »Jeder Tag mit dir ist ein Sonntag.«
    Sie las ihm aus der Zeitung vor, und wie immer zum Schluß, um seine Präsenz zu testen, schlug sie den Börsenteil auf. »Koch-Werke, plus 4.«
    An diesem Morgen setzte er, anstatt sie verständnislos anzuschauen, wieder einmal seine Millionärsmiene auf und befahl: »Kaufen.«
    Sie lachten beide, und Rosemarie, die in dieser Nacht nicht viel geschlafen hatte, fühlte sich besser.
    Die schlaflose Nacht war auch schuld daran, daß sie nach dem Mittagessen im Fauteuil einschlief. Als sie erwachte, war es drei Uhr, und Konrad war verschwunden.
    Sein Mantel war weg, seine Hausschuhe lagen im Korridor, und als sie die Polizei schon angerufen hatte, merkte sie, daß auch sein Kopfkissen fehlte.
    Felix Wirth kam, sobald er in der Klinik weg konnte, und blieb bei ihr, ohne ein Wort des Vorwurfs.
    Jetzt war es Abend, und noch immer keine Spur von Konrad. Vor den Fernsehnachrichten brachten sie eine Vermißtenanzeige. Als Rosemarie Konrads lächelndes Gesicht (das Foto hatte sie selbst auf Capri gemacht) am Bildschirm sah und die Stimme sagen hörte, Konrad Lang sei verwirrt, man bitte um schonendes Anhalten, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    »Eines verspreche ich dir«, sagte sie, »wenn ihm nichts zugestoßen ist, bin ich einverstanden mit dem Pflegeheim.«
    Konikoni lag im Gärtnerschuppen und war ganz still. Es war dunkel, aber nicht kalt. Er hatte sich ein Bett gemacht im Torf. Er war warm zugedeckt mit Jutesäcken. Sie waren voller Tulpenzwiebeln gewesen. Er hatte sie in einen Haraß geleert. Und er hatte das Kopfkissen.
    Hier würde ihn niemand finden. Hier konnte er bleiben, bis der Winter kam. Vor dem Schuppen gab es Zwetschgen und Baumnüsse. Und neben der Tür einen Wasserhahn, der manchmal auf die blecherne Spritzkanne tropfte. Toc.
    Es roch gut nach Torf, Blumenzwiebeln und Dünger. Manchmal bellte ein Hund, aber weit weg. Manchmal raschelte es im Laub vor der Tür. Eine Maus, vielleicht, oder ein Igel. Sonst war es ganz still.
    Konikoni schloß die Augen. Toc.
    Hier findet sie ihn nicht.
    Die ganze Nacht wartete Rosemarie Haug vergeblich auf eine Nachricht. »Bitte rufen Sie uns nicht mehr an«, bat sie ein gereizter Polizist gegen zwei Uhr früh, »wir melden uns sofort, sobald wir etwas hören.«
    Felix Wirth konnte sie gegen drei Uhr dazu überreden, ein leichtes Schlafmittel zu nehmen. Als sie eingeschlafen war, legte er sich aufs Sofa und stellte den Wecker seiner Armbanduhr auf sechs.
    Um sieben Uhr brachte er Rosemarie Orangensaft und Kaffee ans Bett. Und die Nachricht, daß man nichts Neues wisse. Dann ging er in die Klinik.
    Kurz vor acht klingelten zwei Polizisten an der Wohnungstür. Rosemarie öffnete ihnen und erschrak über ihre ernsten Mienen. »Ist etwas passiert?«
    »Wir wollten nur nachfragen, ob Sie etwas Neues wissen.«
    »Ob ich etwas Neues weiß?«
    »Manchmal tauchen Vermißte wieder auf, und die Angehörigen sind so erleichtert, daß sie vergessen, uns zu benachrichtigen.«
    »Wenn er auftaucht, werde ich Ihnen sofort Bescheid geben.«
    »Nichts für ungut. Man erlebt so allerhand.«
    »Bestimmt ist etwas passiert.«
    »Meistens finden sie sich wieder. Gerade die Verwirrten«, beruhigte sie der ältere

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