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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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herunterhängen lassen. Zuerst den rechten, dann den schweren.
    Er ließ sich vom Bettrand hinunter. Er stand neben dem Bett.
    Wo sollte er sich verstecken?
    Zu spät. Das Licht ging an.
    »Nicht stechen«, flehte Tomikoni.
    »Now there, now there«, beruhigte ihn Schwester Ranjah.
    Seit dem Tag, an dem er an der Tür des Gästehauses mit der Auskunft abgespeist worden war, Simone dürfe nicht gestört werden, hatte Urs Koch fast vier Wochen verstreichen lassen. In dieser Zeit mußten ihn Dritte über das Befinden seiner Frau auf dem laufenden halten. Er hatte bisher mit der Taktik »den Frauen nicht hinterherrennen, denn dann kommen sie von selbst zurück« gute Erfahrungen gemacht.
    Bei Simone, die er trotz ihres wohl schwangerschaftsbedingten Aufbegehrens als nachgiebig kennen- und schätzengelernt hatte, war er sich sicher, daß es funktionieren würde.
    Als sein Vater meinte: »Du mußt da einmal nach dem Rechten sehen, sonst kommt die noch auf dumme Gedanken«, fragte er: »Selbstmord?«
    Als der »Scheidung« antwortete, grinste Urs und machte sich weiter keine Sorgen. Er wartete noch etwas zu. Dann, als sie immer noch nichts von sich hören ließ, änderte er die Taktik.
    Er ging mit einem großen Strauß Kamelien, Simones Lieblingsblumen, zum Gästehaus, läutete und ließ ihr über Schwester Irma ausrichten, er gehe nicht weg, bis er eingelassen werde. Und wenn es die ganze Nacht dauere.
    Das funktionierte. Kurz darauf wurde er in Simones Zimmer geführt.
    »Ich möchte mich entschuldigen und dich bitten, wieder zu mir rüberzukommen«, eröffnete er das Gespräch. Ebenfalls Teil seiner neuen Taktik.
    Sogar als Simone erwiderte: »Nein, Urs, es hat keinen Sinn«, fiel er nicht aus der für ihn weiß Gott nicht einfachen Rolle. »Ich bin mir dessen bewußt: Was ich getan habe, ist nicht wiedergutzumachen.«
    Erst als Simone darauf antwortete: »Nein, darum ist es besser, du versuchst es gar nicht«, wich er von seinem Text ab und brauste auf.
    »Soll ich mich erschießen?«
    Simone blieb ruhig. »Es ist mir egal, was du tust. Ich lasse mich scheiden.«
    Einen Moment lang glaubte sie, er werde losbrüllen. Aber dann lachte er auf.
    »Du spinnst. Schau dich doch an. Du bist bald im sechsten Monat.«
    »Um das zu wissen, brauche ich mich nicht anzuschauen.«
    »Wie stellst du dir das vor? Wir bekommen ein Kind und lassen uns scheiden, alles auf einmal?«
    »Du hättest es lieber eins nach dem andern, wie sich das gehört?«
    »Weder-noch. Ich will überhaupt keine Scheidung. Es kommt nicht in Frage. Ich diskutiere gar nicht darüber.«
    »Prima. Ich nämlich auch nicht.« Simone ging zur Tür und legte die Hand auf die Klinke.
    »Du wirfst mich nicht aus meinem eigenen Gästehaus.«
    »Bitte geh!«
    Urs setzte sich aufs Bett. »Ich werde nie in eine Scheidung einwilligen.«
    »Ich werde klagen.«
    »Auf was?«
    »Ehebruch. Siebenfach, wenn du willst.«
    Urs zog die Brauen hoch. »Beweise?«
    »Ich werde alle Hebel in Bewegung setzen, um Zeugen und Beweise zu finden.«
    Simone stand immer noch an der Tür mit der Hand auf der Klinke. Sie wirkte sehr entschlossen.
    Urs stand auf und trat nahe an sie heran. »Mir passiert das nicht, daß sich meine schwangere Frau nach zwei Jahren von mir scheiden läßt, verstehst du? So einfach ist das. Es passiert mir nicht, und es passiert uns nicht. Es passiert den Kochs nicht.«
    »Es ist mir egal, was den Kochs passiert«, sagte Simone und öffnete die Tür.
    »Weil es geschah, als du schwanger warst, nicht wahr?«
    Simone schüttelte den Kopf.
    »Warum denn?«
    »Weil ich mein Leben nicht mit dir verbringen will.«
    An einem falschen Frühlingstag – der Föhn hatte den Himmel blau gefegt und ließ die Gärtner die Stirn runzeln – malte Koni »Haus für SchneeSchneebälle im Mai«.
    Simone war ein wenig zu früh zur Fotositzung erschienen. Die Beschäftigungstherapeutin war noch bei Konrad, der ganz vertieft am Tisch saß und malte.
    Als Simone ihn begrüßte, nickte er nur kurz und wandte sich wieder seinem Blatt zu. Er tauchte den Pinsel in das Glas mit trübem Wasser und bearbeitete damit ein Blatt Aquarellpapier.
    Simone setzte sich und wartete. Als die Therapeutin sagte: »Schön, Herr Lang, wunderbar, das gefällt mir ausgezeichnet. Darf ich es Frau Koch zeigen?«, stand sie auf und ging zum Tisch.
    Das Blatt war noch feucht und gewellt. Wäßriges, wolkiges Blaugrau auf weißem Grund. Darin ein breiter Pinselstrich, den bräunliche und gelbliche gleich dicke

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