Smaragdjungfer
bedeutet, aber ich möchte trotzdem gern nachhaken.«
»Hauptsache, du lässt Kastor in Ruhe«, gab Roemer seine Zustimmung. »Sonst noch?«
»Wir haben ihren Terminkalender. Offenbar hat sie einen handschriftlich geführt. Wir werten ihn heute aus. Allerdings dürfte der nicht allzu viel bringen. Dem ersten Eindruck nach hat sie ihre Kunden entweder nur mit Nachnamen eingetragen oder nur die Veranstaltungen, für die man sie gebucht hat. Ohne Vornamen ist die Identifizierung eine Sisyphusarbeit.«
»Die wir trotzdem tun. Entweder, um Severin endlich das Handwerk zu legen, oder, um den Mörder in dem Pool zu finden.«
»Meiner Überzeugung nach hatten wir den gestern schon in Gewahrsam und mussten ihn auf Anweisung von oben wieder laufen lassen.« Paula sprach gerade laut genug, dass Roemer sie hören musste.
»Und an diese Anweisung halten wir uns. Weiter.«
Paula trank ihren Kaffee, um zu verhindern, dass ihr eine Bemerkung entschlüpfte, die sie sich besser verkneifen sollte. Ja, sie würde sich an diese Anweisung halten – bis zu einem gewissen Grad. Seit ihrer Ausbildungszeit hatte sie die Methode perfektioniert, so zu ermitteln, wie sie es für richtig hielt, ohne gegen direkte Anordnungen zu verstoßen. Man bezahlte sie schließlich dafür, die Fälle aufzuklären und die Wahrheit ans Licht zu bringen, nicht dafür, dringend Tatverdächtige mit zweierlei Maß zu messen. Justitia hatte nun mal blind zu sein.
»Ihr letzter eingetragener Kunde von Dienstagabend heißt Graf. Ohne Vornamen«, ergänzte Rambacher.
»Könnte der Reeder sein«, fügte Paula hinzu.
»Oder einer von den anderen Grafs in Wilhelmshaven.« Roemer nickte. »Rausfinden und befragen. Aber sehr diskret. Besonders wenn es der Reeder sein sollte. Der ist nicht nur mit dem Polizeipräsidenten per Du, sondern auch mit dem Bürgermeister und dem halben Stadtrat.« Er nickte Fischer zu. »Was habt ihr?«
»Die Befragung der Nachbarn hat nichts ergeben. Die Tote galt als unauffällig und hat auch keine häufig wechselnden Herrenbesuche gehabt. Kastor ist der Einzige, den verschiedene Hausbewohner mindestens einmal die Woche bei ihr gesehen haben, weshalb man ihn für ihren festen Freund gehalten hat. Dass sie für einen Begleitservice gearbeitet hat, wusste niemand. Falls sie tatsächlich auch sexuelle Dienstleistungen angeboten hat, dann nicht in ihrer Wohnung.«
Maja Küsters Team hatte auch nichts Neues zu vermelden, sodass die Besprechung kurz darauf beendet war.
Paula holte sich einen neuen Kaffee, ehe sie in ihr Büro ging. Sie ließ ihre Tasche neben ihrem Stuhl zu Boden plumpsen, riss das Fenster auf, stützte die Hände auf das Fensterbrett und atmete tief die frische Luft ein. Manchmal half das, die Kopfschmerzen zu besiegen. Doch heute hatte die Migräne mal wieder beschlossen, sich von rein gar keiner Gegenmaßnahme beeindrucken zu lassen. Im Gegenteil verschlimmerte der Lärm von der Straße sie noch.
Paula schloss das Fenster, setzte sich an ihren Tisch und startete den Computer. Rambacher schob ihr ein Blatt Papier hin, das mit seiner ungewöhnlich sauberen Schrift bedeckt war.
»Das sind die Namen der Kunden, die im Terminkalender der Toten stehen. Ich habe schon damit begonnen, sie im Telefonbuch zu überprüfen. Aber wie Sie vorhin gesagt haben, ist eine Identifizierung ohne dazugehörige Vornamen sehr arbeitsintensiv.«
Der Streber! Entweder war er gestern noch recht lange geblieben, nachdem Paula gegangen war, oder er war heute Morgen sehr früh im Dienst gewesen. Paula überflog die Liste. Da Rambacher jedem Namen eine Nummer gegeben hatte, sah sie auf den ersten Blick, dass es sich um neununddreißig Namen handelte. Hinter jedem hatte er mit Strichen vermerkt, wie oft Jasmin mit dem Betreffenden Termine gehabt hatte. Nur zwei Namen wiesen eine ungewöhnliche Häufung auf: Kastor und Graf, wobei sie mit Graf mehr Termine gehabt hatte als mit Kastor.
Paula war sich sicher, dass es sich um Witold Graf handelte. Abgesehen von ihm waren im Wilhelmshavener Telefonbuch nur fünf Grafs verzeichnet – darunter ein echter Graf. Gegen den einflussreichen Reeder hatte das FK 1 schon öfter ermittelt. Er stand seit langem in Verdacht, an illegalem Waffenhandel und Menschenschmuggel beteiligt zu sein. Doch konnte man ihm bisher ebenso wenig beweisen wie Severin. Sobald es den Ermittlern gelang, einen Zeugen aufzutreiben, war der entweder spurlos verschwunden, bevor er eine Aussage machen konnte, oder man fand ihn irgendwo
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