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SMS für dich

Titel: SMS für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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Heilen von Menschen zu finden. Dabei sollte sie sich vor allem
     selbst helfen, denkt Clara, so abgedreht wie sie ist. Ständig verwickelt ihre Mutter sie in Gespräche über das Einssein mit
     der Energie oder dem Universum oder sonst wem. Clara kann da schon lange nicht mehr folgen. Natürlich liebt sie ihre Mutter.
     Aber sie tut es doch auf eine ganz andere Art, als sie ihre Großeltern oder auch ihren Vater liebt.
    Ihre Mutter und sie sind einfach grundverschieden. Karin ist temperamentvoll und vorlaut. Clara empfindet sich selbst eher
     entspannt und introvertiert. Karin hat zu allem eine Meinung, die sie gern ungefragt äußert, während Clara sich lieber bedeckt
     hält, was ihr manches Mal schon den Vorwurf einbrachte, sie sei berechnend und wenig spontan. Auch Karins Äußeres, ihre Art,
     sich zu kleiden oder auch die Wohnung einzurichten, empfindet Clara manchmal als so fremd, dass sie sich ab und an fragt,
     ob sie nicht doch adoptiert worden sei.
    Auf der anderen Seite ist Clara jedoch bewusst, wie dankbar sie dafür sein sollte, dass sich ihre Mutter ihretwegen so sehr
     sorgt. Schließlich ist nicht jeder der gut gemeinten Ratschläge vollkommen daneben. Auch bei allem, was sonst vor der Beerdigung
     zu erledigen war, standen ihr Karin und natürlich auch Katja hundertprozentig zur Seite. Bens Eltern hingegen waren nicht
     in der Lage, sich zusammenzuraufen und auf organisatorische Dinge zu stürzen, wie es viele trauernde Angehörige aus Verzweiflung
     tun. Nein, es war Karin, die sich um alles gekümmert hat und tapfer Bens Sachen aussortierte, obwohl es nur sehr wenige waren,
     die Clara hergeben wollte.
    |57| Im gemeinsamen Kleiderschrank sind jetzt zwar nur noch Claras Sachen. Dennoch hat sie einige Säcke mit seinen Klamotten im
     Abstellraum und einige seiner persönlichen Dinge unsortiert in Kartons im Wohnzimmer stehen. Diese «Urnen» suggerieren eine
     Nähe, die nicht da ist und Clara irgendwie Unbehagen bereiten.
    Nur den Ring, den sie von Ben zum Heiratsantrag bekommen hat, trägt sie Tag und Nacht, auch wenn sie sich eigentlich gar nicht
     wie ein Schmucktyp fühlt. Einen Ring, den sie Ben einmal zu Weihnachten geschenkt hat, hat sie ihm mit ein paar anderen Habseligkeiten
     einfach mit ins Grab gelegt. Genau genommen war das illegal.
    Etwa einen Monat nach der Beerdigung hat Katja allen Mut zusammengenommen und Clara auf diese verrückte Idee gebracht. Denn
     erst nach dem ganzen Beerdigungstrubel ist Clara bewusst geworden, dass sie Ben unbedingt noch etwas hätte mitgeben wollen.
     Und so sind die beiden an einem späten Abend in der Dunkelheit tatsächlich zum Grab gegangen, haben herzklopfend direkt vor
     dem Stein, der gerade erst gesetzt worden war, ein Loch von etwa 30   Zentimetern Tiefe gebuddelt und eine Schachtel hineingelegt. Darin enthalten waren ein langer Abschiedsbrief, den Clara auf
     Anraten von Frau Ferdinand geschrieben hatte, und eben der Ring, den das Bestattungsunternehmen ihr zusammen mit Bens Uhr,
     seinem Portemonnaie und seinem Handy in einem weißen Umschlag übergeben hatte. Das Handy legte Clara auch mit hinein, weil
     es symbolisch für so viele kleine Liebesbeweise und ihre Verbindung steht.
    Bens Armbanduhr hat Clara für Dorothea aufgehoben. Vielleicht würde sich heute eine gute Gelegenheit ergeben, |58| sie ihr zu überreichen, denkt Clara und klingelt an der Tür. Die wenigen Treffen zuvor waren allesamt ohnehin traurig genug
     gewesen, als dass Clara durch große Gesten noch mehr zu Tränen rühren wollte.
    Nun spürt sie deutlich eine unbestimmte Angst, als sie von drinnen Schritte hört. Sie hofft inständig, dass Bens Vater nicht
     zu Hause ist. Sie betet, dass ihr erspart bleibt, wie er sie mit freundlichen Worten, aber doch vorwurfsvollen Blicken fragt,
     wie es ihr ginge. So als würde sie wie bei einem Kaffeeklatsch mit alten Damen zwanglos drauflosplaudern können.
    «Hallo», sagt Dorothea freudig, als sie die Tür öffnet. «Wie schön, dass es geklappt hat!» Ihre Worte wirken sehr ehrlich
     und warm. Sie schließt Clara herzlich in die Arme, sodass deren Angst schnell der Wiedersehensfreude weicht.
    «Ich freu mich ebenfalls. Und von mir aus können wir auch direkt starten! Was hältst du davon, nach Hamburg zu fahren? Wir
     könnten an der Alster oder an der Elbe spazieren gehen», sagt Clara mit etwas gedämpfter Stimme.
    Dorothea nickt eifrig und greift nach ihrer Jacke.
    Wortlos machen sie sich auf den Weg zu Claras altem Peugeot.

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