SMS für dich
Bionade zum Küchenstuhl zurückkehrt, ertönt plötzlich ihr Handy. Kurz zögert sie, in den
Flur zu gehen, um nachzusehen, wer ihr zu so später Stunde eine SMS sendet. Sie muss über sich selbst schmunzeln, als sie
sich bei dem Gedanken ertappt, Ben habe womöglich eine Nachricht geschickt. Aber wenn die SMS nicht von Ben kommt, bleibt
eigentlich nur noch Katja.
Clara rafft sich auf und holt das Handy. Und tatsächlich fragt ihre Freundin:
Noch wach?:-)
Clara drückt den grünen Knopf, um direkt zurückzurufen.
«Na, wo steckst du?»
«Auf dem Weg zu dir, wenn ich darf?»
«Klar! Aber ich dachte, du bist noch irgendwo in Süddeutschland unterwegs.»
|48| «Also erstens ist Kassel nicht gerade Bayern, und zweitens war das ein totaler Reinfall. Aber das erzähle ich dir gleich.»
«Okay. Ich mach schon mal ’nen Prosecco auf.»
«Und eine Packung Taschentücher bitte. Bin gleich da!»
Noch bevor Clara nachfragen kann, was Katja damit meint, hat ihre Freundin schon aufgelegt.
Clara stellt das Bild samt Staffelei in den Abstellraum, huscht schnell ins Bad, schmeißt ihr altes buntes Malerhemd in die
Badewanne und wäscht sich die Hände, erst mit Terpentinersatz und anschließend gründlich mit Seife. Als sie in den Spiegel
blickt, kann sie gar nicht anders, als sich breit und beinahe glücklich anzugrinsen. So sehr freut sie sich über den gelungenen
Tag und auf den spontanen Besuch ihrer Freundin.
Als sie wieder in Richtung Küche geht, klingelt es bereits an der Haustür.
«Hi Süße!», hechelt Katja nach dem kurzen Treppenspurt und drückt Clara, wie immer eine Spur zu hastig. Katja ist grundsätzlich
ein impulsiver Mensch und macht es sich schneller auf dem Sofa gemütlich, als Clara gucken kann.
«Ich muss dir was beichten. Aber du darfst nicht meckern, okay?», ruft Katja in Richtung Küche, wo Clara den Prosecco, zwei
Gläser und eine angebrochene Packung Chips hervorholt.
«Du machst es aber spannend.»
«Also, Beichte Nummer eins: Ich war gar nicht beruflich in Kassel. Beichte Nummer zwei: Ich hab mich verliebt. Beichte Nummer
drei: Der Scheißkerl ist verheiratet!»
Clara rutscht vor Schreck beinahe die Flasche aus der Hand. Ehe sie etwas erwidern kann, fährt Katja auch schon |49| fort: «Ich hab dir bisher nichts gesagt, weil ich … Na ja, weil ich nicht wusste, ob du dir das anhören kannst, ohne traurig zu werden.»
«Ja, was denn überhaupt?», fragt Clara mit ein wenig Groll in der Stimme.
«Na, dass ich so happy bin, weil ich Robert kennengelernt habe. Oder besser gesagt, happy war!»
«Also, jetzt mal eins nach dem anderen. Erst mal solltest du doch wissen, dass du mit mir über alles reden kannst. Ich lebe
immer noch auf diesem Planeten und bin kein Außerirdischer, der nicht mehr zuhören kann.»
«Ja, schon. Aber …»
«Außerdem», unterbricht Clara ihre Freundin nun in einem etwas sanfteren Ton, «bin ich doch froh, wenn ich höre, dass die
Welt zumindest in Teilen ganz in Ordnung ist.»
«Na ja, so richtig in Ordnung ist sie wohl doch nicht», sagt Katja nun ungewohnt ernst und trinkt ihr Glas in einem Zug leer.
«Also, schieß los. Ganz von vorn. Und wehe, du schonst mich!»
Über eine halbe Stunde lang braucht Katja, um alles loszuwerden. Sie redet so aufgeregt, als hätten sie seit Monaten nicht
miteinander gesprochen. Viel zu lange hat sie ihrer besten Freundin vorenthalten, was sie so sehr beschäftigt. Zunächst war
es mit Robert ganz entspannt zugegangen, wie mit allen anderen Männern auch, die Katja für gewöhnlich nach einer kurzen, heißen
Phase abschießt, wenn sie ihr zu anstrengend werden. Erst ein einziges Mal war Katja so richtig verliebt gewesen. Mit siebzehn
hatte sie sich in einen viel zu alten Lehrer verknallt. Und nun hat |50| es sie wieder erwischt. Clara kann ihr kaum folgen bei so vielen Details, die allesamt lebenswichtig zu sein scheinen.
Robert ist 187 Zentimeter lang und nach Katjas Aussage offenbar auch eher dünn. Er habe kein Gramm Körperfett, treibe nahezu ununterbrochen
Sport und verbringe den Rest seiner Lebenszeit als Investment-Irgendwas im Büro. Und überdies mit seiner Frau, was er allerdings
bis vor fünf Stunden geheim gehalten hat.
Katja platzt fast vor Wut. Und als Clara eine zweite Flasche Prosecco öffnen will, macht sie ihrem Ärger so richtig Luft.
«Er ist tatsächlich verheiratet. Dieser Scheißtyp!»
Seine Frau war offensichtlich genauso ahnungslos wie Katja.
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