SMS für dich
Niederlage,
sondern mit aller Kraft als Fortschritt verbuchen. Deshalb geht sie nun zurück auf ihren nun schon recht schattigen Balkon
und versucht sich auf ihre erste Pizza seit fast einem halben Jahr zu freuen.
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Sven
Die «Ermittlungen» im Fall Lilime sind für Sven zwar keineswegs abgeschlossen, doch angesichts einer harten Arbeitswoche sind
sie in den letzten Tagen ganz schön in den Hintergrund gedrängt worden. Sven fragt sich inzwischen, ob dieses alberne Hineinsteigern
in die Phantasiewelt mit Lilime wohl alibimäßig dafür herhalten muss, um nicht auf andere Weise aktiv werden zu müssen. Denn
irgendwie ist er in seinem Trott aus Zeitdruck und Terminen gefangen, sodass er sich absolut urlaubsreif fühlt. Überhaupt
erscheint ihm sein Leben in letzter Zeit wie ein Korsett.
Dabei liebt er seinen Job! Er schreibt gern und mag die Hektik im Grunde sogar. Auch in seiner Wohnung fühlt er sich wohl.
Und sogar das letzte Treffen mit seinem Vater war überraschend unkompliziert und nett, sodass Sven das Gefühl hat, ihm allmählich
wieder näherzukommen.
Sven geht an den Kühlschrank, um sich mit einem leckeren Abendessen von einer drohenden Grübelattacke abzulenken. Da aber
weder Tiefkühlpizza noch Bier oder sonst etwas Essbares da ist, auf das er Lust hat, beschließt er, sich nochmal auf die Straße
zu begeben.
|96| Er schnappt sich eine große Tüte, um alles wegzuschmeißen, was er ohnehin nicht mehr essen würde. Die Tube Tomatenmark ist
am oberen Rand nicht nur ekelhaft verkrustet. Nein, sie ist auch seit über einem Jahr abgelaufen, wie Sven zu seinem Erstaunen
feststellt. Auch die beiden Marmeladengläser sollte er sich besser nicht genauer ansehen. Soweit sich Sven erinnern kann,
sind das noch Geschenke von Fionas Mutter. Er mag aber gar keine Marmelade und noch viel weniger dieses abscheuliche Dressing,
das Fiona so geliebt und das jetzt sicher schon im Inneren ein paar erstaunlich bunte Schimmelkulturen hervorgebracht hat.
Es wird höchste Zeit, dass meine Exfreundin ein für alle Mal aus meiner Gegenwart verschwindet, denkt er. Heute ist ein guter
Tag dafür!
Beschwingt nimmt er die bereits halbvolle Tüte und lässt seinen Blick durch das Loft schweifen, um sämtliche Erinnerungsstücke
zu eliminieren. Es sind ohnehin nicht mehr viele: eine alberne Postkarte am Kühlschrank, eine Obstschale, die er noch nie
gemocht hat, ein Badezusatz, der bloß noch Staubfänger ist, ein paar Klamotten, zwei Paar Schuhe, ein kitschiges Lebkuchenherz
vom Hamburger Dom und ein paar Fotos, die lose in einer Schublade liegen. Die will er behalten. Aber alles andere stopft er
in die Tüte, ohne dass es ihm einen Stich versetzen würde.
Anschließend greift er nach seinem Portemonnaie, seinem Schlüssel und seinem Handy und macht sich auf den Weg. Der Abend wird
ihn zunächst zum Müllcontainer und dann zur Feinkostabteilung im Supermarkt und schließlich in die Videothek führen.
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|97| Clara
Der Weg vom Eingang des Friedhofs bis zu Bens Grab scheint unendlich lang. Clara fühlt sich sehr unwohl und kann nicht richtig
einschätzen, ob es daran liegt, dass sie es im Grunde hasst, Bens totem Körper so nahe zu kommen, oder aber, dass ihre Mutter
sich aufgedrängt hat, sie zu begleiten.
«Wie oft kommst du denn inzwischen hierher?», fragt Karin nun in einem sanften, zurückhaltenden Ton. Und doch fühlt sich Clara
gleich wieder in die Defensive gedrängt. Sie hat ein schlechtes Gewissen, weil sie in den vergangenen Wochen sehr selten den
Mut gefunden hat herzukommen.
«Es fällt mir schwer. Ich finde es hier unheimlich.»
«Das ist doch vollkommen in Ordnung.» Ihre Mutter zögert, hakt sich dann aber bei Clara unter und ergänzt vorsichtig: «Deine
Angst bedeutet wohl, dass du noch ein langes Stück Verarbeitung vor dir hast.»
«Ja, ja. Ich weiß», antwortet Clara und muss sich zusammenreißen, ihre Mutter nicht anzuschnauzen.
«Aber du weißt, ich bin immer für dich da, Liebes. Es gibt noch so viele Möglichkeiten, wie wir dir deinen Schmerz etwas erleichtern
können. Das Wichtigste aber ist: Du musst loslassen!», führt ihre Mutter nun ungefragt aus.
«Das ist mir doch klar. Aber es wird nicht besser, wenn du dauernd drauf rumreitest.» Clara versucht, ruhig zu bleiben, obwohl
sie innerlich längst explodiert ist.
«Ich will dir doch nur helfen. Was wäre ich denn für eine Mutter, wenn ich dir meine wertvollen
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