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SMS für dich

Titel: SMS für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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das ist noch viel kränker, denkt er, als er aus seinem Handy die Nummer
     von Lilime abguckt, um sie in die Tastatur des Zimmertelefons einzutippen. Er tut es ganz langsam. So wie ein kleiner Junge,
     der mit Feuer spielt. Erst Zögern, dann ein gewagter Schritt, wieder Zurückschrecken, bis der Mut und die Neugier schließlich
     überwiegen.
    Sven versteht selbst nicht, warum es ihm so ein Bedürfnis ist, mit einer Phantasiefrau Kontakt aufzunehmen.
    Aber er kann nicht anders. Es ist an der Zeit, endlich mal zu handeln, ohne das ständige Abwägen von klein sezierten, rationalen
     Argumenten, die dagegen sprechen.
    Es klingelt.
    Sven spürt, wie sein Herz hämmert. Er setzt sich kerzengerade |104| auf das Bett, räuspert sich und kommt sich absolut bescheuert vor.
    «Sie sind verbunden mit der Nummer 0172   …»
    Enttäuschung und Erleichterung machen sich breit. Es ist wieder die Mailbox, die sich wie eine unüberwindbare Schranke zwischen
     Realität und Scheinwelt drängt. Wie ein Zeichen, das ihm bedeutet, Lilime besser zu vergessen.
    Sven denkt nach.
    Plötzlich springt er auf, zieht sich einen Kapuzenpulli über und macht sich auf den Weg nach draußen, um doch noch ein paar
     Schritte zu gehen.
    ***
    «Gut. So in einer halben Stunde in unserem Sushi-Laden?», fragt Sven am nächsten Nachmittag seinen Freund David am Telefon.
    «Geht klar. Ich freu mich!», antwortet David.
    Obwohl Sven nach der Rückfahrt nach Hamburg total platt ist, braucht er unbedingt noch Austausch mit einem halbwegs vernunftbegabten
     Menschen. Der Tag heute war der reinste Horror. Zwei lange Interviews, und davon eines auch noch angestrengt beim Mittagessen,
     wichtigtuerische Bosse, die ihm eine Treppe ans Ohr gelabert haben. Und das, obwohl er in seinen Gedanken immer nur bei Lilime
     und ihrer Nachricht und diesem sehr seltsamen Moment nach seinem nächtlichen Spaziergang durch Berlin war.
    Als ob er es geahnt hatte, galt der erste Blick seinem Telefondisplay, als er ins Hotelzimmer zurückgekehrt war. Zunächst
     traute er sich kaum, wirklich hinzusehen, weil er es einfach erniedrigend fand, vergeblich auf eine Nachricht |105| zu warten. Wie konnte er auch noch persönlich getroffen oder enttäuscht sein, wo die SMS doch ganz offensichtlich für einen
     anderen Menschen bestimmt sind. Aber als er das Telefon in den Händen hielt, um nachzusehen, hatte Sven plötzlich ein Gefühl
     von Gewissheit. Etwa so, als ginge man gelassen in ein Vorstellungsgespräch oder eine Prüfung mit einer Garantie, dass es
     gut laufen würde.
    Als er sah, dass tatsächlich eine SMS von «Noname» angezeigt wurde, bekam er zunächst einen kleinen Schreck. Denn er war einfach
     perplex über diesen Riesenzufall. Aufgrund des treffenden Timings erschien er ihm beinahe magisch. Schließlich hatte Sven
     sich zuvor auf dem Weg entlang des Ku’damms geschworen, das Hirngespenst Lilime endlich zu verbannen, es sei denn, sie würde
     noch am selben Abend ein Lebenszeichen von sich geben. Und dann überwog schnell die Freude und Spannung nach der langen Sendepause.
    Als Sven die Worte las, verstand er zunächst jedoch nicht richtig. Er musste sie erst ein zweites Mal lesen, bevor er endgültig
     begriff, was er da gerade erfahren hatte. Lilime schrieb:
     
    War bei dir, an deinem Grab. Und doch warst du so weit weg. Kann jemals wieder alles gut werden? Ohne dich, deine Hände, deine
     Musik? In Liebe, L.
     
    Nun sitzt Sven, noch immer im Anzug gekleidet, auf seiner heimischen Dachterrasse und starrt in den tiefblauen Himmel, in
     dem die Wolken wie weiße Figuren vorbeiziehen. Er lockert seine lästige Krawatte und nimmt sich noch einmal die Liste mit
     all ihren SMS der vergangenen Monate vor. |106| Auch wenn er schon mehrfach spekuliert hat, ob Lilimes Geliebter womöglich nicht mehr am Leben sei, erscheint ihm die Bestätigung
     seiner Hypothese doch irgendwie unheimlich, so als wäre er allein aufgrund seiner Phantasien dafür verantwortlich.
    Vielleicht, denkt er nun, ist das ein latent schlechtes Gewissen, was sich da bei ihm meldet. Denn während der Zugfahrt von
     Berlin zurück stellte sich bei ihm durchaus so etwas wie Freude ein. Freude darüber, dass Lilime nicht vergeben ist.
    Aber ihr Herz ist es. Ihr Herz ist eindeutig vergeben! Und das wird Sven jetzt noch einmal sehr deutlich, als er all die Nachrichten
     hintereinander durchsieht.
    Er steht auf und lehnt sich an das Geländer. Von hier hat er den besten Blick über die Dächer.
    Es ist

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