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SMS für dich

Titel: SMS für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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Erfahrungen im Umgang mit
     Trauer nicht weitergeben würde?»
    |98| Clara schüttelt den Kopf und zieht es vor, zu schweigen. Am liebsten wäre sie jetzt allein. Allein, irgendwo ganz weit weg.
    Immer wieder kommt ihr die Überlegung in den Sinn, einfach abzuhauen. Alles hinschmeißen, wegrennen und irgendwo von vorn
     beginnen. Sicher würde ihre Mutter diesen Gedanken bloß als Flucht vor der schmerzhaften Realität interpretieren. Mit pathetischen
     Worten würde sie auf sie einreden, eine ganzheitliche Therapie zu machen und sich endlich mit den Energien des Universums
     zu verbinden. Sie würde wieder all ihre schlauen Lebenshilfebücher hervorzaubern und ihr zahlreiche Adressen von Experten
     nennen, an die sie sich vertrauensvoll wenden könnte, um wieder zu sich und ihrer inneren Stärke zurückzufinden.
    In solchen Gesprächen würde Clara ihrer Mutter am liebsten ins Gesicht schreien, dass sie vielleicht noch nie so etwas wie
     innere Stärke gehabt hat und die Gründe dafür sicher auch in der Kindheit liegen. Damals hat Clara sich völlig allein gefühlt
     in ihrer Trauer um ihren Vater. Sie hat ihre Mutter so gut wie nie um ihn weinen sehen. Und jetzt, wo sie einfach nur in Ruhe
     gelassen werden will, maßt Karin sich an, in ihr Innerstes zu sehen und nur noch mehr Salz in ihre Wunden zu streuen.
    «Die sind ja wunderschön!», ruft ihre Mutter nun laut aus, als sie den weißen Blumenstrauß aus Gerbera und Rosen sieht, der
     links vor dem Grabstein platziert wurde. «Der ist aber nicht von dir, oder?»
    Erneut erschaudert Clara innerlich. Erst will sie trotzig verneinen, aber dann sagt sie: «Bestimmt ist er von Dorothea oder
     ihrer Mutter.»
    |99| Plötzlich holt Karin eine kleine Glasfigur aus ihrer Handtasche. Erst als Clara genauer hinsieht, erkennt sie, dass es ein
     Engel ist.
    «Was willst du denn damit?», fragt sie verwundert.
    «Hier, guck mal genauer hin!» Karin deutet auf das Gesicht der Figur. «Der Engel singt und sieht dabei so fröhlich aus. Ich
     hab ihn in dem schönen Laden in der Schröderstraße entdeckt und musste sofort an Ben denken.»
    Clara sieht ihre Mutter misstrauisch an. Doch Karin lächelt nur.
    «Wenn du nichts dagegen hast, lasse ich ihn hier», sagt sie schließlich, stellt die Figur gleich rechts vor den Grabstein
     und tritt wieder zurück.
    «Für Papa hast du nie was ans Grab gestellt   …», entfährt es Clara plötzlich.
    Ihre Mutter guckt irritiert. «Aber ich hatte doch lange Zeit im Schlafzimmer diesen Platz auf der Kommode, wo all die Sachen
     aufgestellt waren.»
    Clara verspürt einen Stich. Außer dem Foto auf ihrem Nachtschränkchen hat sie keinen wirklichen Platz, den sie Ben oder den
     Erinnerungen an ihn widmet.
    Behutsam legt ihre Mutter den Arm um Claras Schulter. Und nach einer Weile, die sie stumm auf die Inschrift des Grabsteins
     blicken, sagt Karin leise: «Weißt du, ich hab ihn auch lieb gehabt. Ben ist mir richtig ans Herz gewachsen. Du bist nicht
     allein mit deiner Trauer.»
    Clara weiß nicht, was sie sagen soll. Sie muss ziemlich schlucken, lässt sich aber nichts anmerken.
    ***
    |100| Erst am späten Abend, nachdem sie recht entspannt in ihrer Küche zusammen ein paar Spaghetti mit Pesto und Parmesan gegessen
     und ein wenig über die derzeitig schlechte Stimmung in der Agentur gesprochen haben, erweist sich der Tag mit ihrer Mutter
     im Nachhinein doch noch als halbwegs erträglich.
    Clara hatte sich den Friedhofsbesuch weit schlimmer vorgestellt. Sie hat ihrer Mutter gegenüber sogar zugegeben, dass sie
     mittlerweile sehr froh darüber ist, damals von Ben noch in der Kapelle Abschied genommen zu haben. Es war Karin gewesen, die
     sie dazu sanft ermuntert hatte. Sie sagte, es wäre sehr tröstlich, wenn man mit eigenen Augen sehen könne, dass die Seele
     aus dem Körper gewichen sei. Die Beerdigung und das Herablassen des Sarges in die Erde wären sicher weniger schmerzhaft, wenn
     Clara wüsste, dass dort «nur» die Hülle begraben würde.
    Und tatsächlich hatte Clara in dem toten Gesicht kaum mehr den ihr eigentlich so vertrauten Ben erkennen können. Trotz der
     Kopfverletzung, der er sofort nach dem Aufprall erlegen war, sah er unversehrt und sehr friedlich, ja beinahe erleichtert
     aus. Andererseits aber konnte Clara keinen typischen Gesichtszug erkennen, der etwas von seiner wahren Persönlichkeit verriet.
     Lediglich seine Hände, die gekreuzt auf seinem Oberkörper lagen, hinterließen bei Clara einen Schmerz, der noch

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