Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

SMS für dich

Titel: SMS für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
Vom Netzwerk:
merkwürdig still gewesen. Vielleicht weil er zu diesem Zeitpunkt schon mit seinem eingeschlagenen
     Weg haderte. Ob ihm da bereits klar war, dass er ihn nicht würde weitergehen können?
    Es schnürt Clara die Kehle zu, wenn sie jetzt daran denkt, dass Ben gewusst haben mag, dass der Abschied von seiner Oma, die
     ihm sehr am Herzen lag, für immer sein sollte. Womöglich hatte er die gesamte Zugfahrt über tieftraurig aus dem Fenster geschaut
     und sich bei seiner Ankunft in Lüneburg unglaublich zusammenreißen müssen, damit Clara keinen Verdacht schöpfte.
    Nun ist sie also wieder hier – und doch ist alles anders.
    Es ist wie neulich im «Castello», denkt Clara. Alles, was ich tue, tue ich das erste Mal nicht mit Ben, sondern allein.
    Doch letztlich verdankt sie überhaupt nur Ben, dass sie nun hier steht. Hier, an diesem Wendepunkt in ihrem Leben, der sich
     plötzlich anfühlt wie ein kompletter Neustart. Von hier aus geht es in eine Richtung, an die Clara vorher niemals gedacht
     hätte. Und nie hätte sie geahnt, dass sie fähig ist, einen solch mutigen Weg zu gehen.
    Clara ist noch immer völlig in Gedanken versunken, als der Metronom aus Hamburg endlich eintrifft. Sämtliche schlauen Sätze,
     die sie sich den ganzen Tag über zurechtgelegt hatte, sind jetzt einfach aus ihrem Kopf verschwunden. Und noch ehe sie Ausschau
     nach einem Mann im Anzug halten kann, wird sie auch schon angesprochen.
    «Sie müssen Clara Sommerfeld sein!», sagt ein erschreckend gut aussehender Mann in Jeans mit kleiner Laptop-Tasche unterm
     Arm.
    |190| «Äh, ja. Herr Lehmann?»
    Er reicht ihr die Hand und blickt ihr dabei so tief in die Augen, dass Clara ganz verunsichert ist.
    «Sven Lehmann, genau. Danke, dass Sie so lange auf mich gewartet haben.»
    ***
    Irgendwie macht sie dieser Typ einfach nervös, denkt Clara, als sie ihm nun im «Cheers» gegenübersitzt, ausgerechnet genau
     an dem Tisch, an dem sie damals mit Ben gesessen hat. Komischer Zufall, dass Herr Lehmann diesen Platz angesteuert hat, obwohl
     es noch mehrere Alternativen gegeben hätte. Aber sie mag den Mann, er hat einen coolen Humor und durchaus Charme, den er sicher
     schon bei Hunderten von Frauen gekonnt eingesetzt hat.
    «Sie passen richtig gut in dieses hübsche, sympathische Städtchen», hatte er selbstsicher erklärt, als Clara die Tür des Ateliers
     wieder hinter sich zuschloss. Während der kurzen Besichtigung hatte der Journalist auch ein paar Fotos von ihr gemacht. Sein
     Kompliment war sie einfach übergangen.
    Wie alt er wohl sein mag?, fragt Clara sich nun und studiert unauffällig sein Gesicht. Sicher irgendwas um die vierzig, denkt
     sie und schaut lieber schnell wieder in die Karte, obwohl sie die Auswahl an Getränken und Speisen hier eigentlich auswendig
     kennt.
    «Wie wollen Sie das Thema ‹Junge Freiberufler› denn eigentlich aufziehen?», fragt Clara, bemüht, dieses Gespräch so souverän
     wie möglich hinter sich zu bringen. Innerlich ermahnt sie sich, am besten die Tatsache zu ignorieren, dass ihr Gegenüber eine
     gewisse Faszination auf sie ausübt. |191| Seine gelegentlichen machohaften Gesten erinnern sie an Ben, und sofort beschleicht Clara ein schlechtes Gewissen. Aber sie
     wird sich einfach so professionell wie möglich geben und ihrem Interviewpartner keinerlei Spielraum für privates Geplänkel
     lassen.
    Sven Lehmann erzählt bereitwillig, wie er sich den Artikel vorgestellt hat. Und obwohl Clara das wirklich interessiert, ist
     sie irgendwie nicht in der Lage, ihm richtig zuzuhören. Kein Wunder, denkt sie insgeheim, bei den Augen! Ob die Leute am Nebentisch
     wohl denken, sie seien ein Paar? Dabei ist er doch liiert! Eine Kollegin oder eine platonische Freundin war das jedenfalls
     bestimmt nicht, mit der er im «Castello» essen war. Da hat Beppo ein untrügliches Gespür. Ob Sven Lehmann wohl öfter mit seiner
     Freundin oder Frau in Lüneburg ist?
    «Ich denke, ich nehme einen offenen Weißwein. Was ist mit Ihnen? Wir könnten auch eine ganze Flasche bestellen. Sie sind selbstverständlich
     eingeladen.» Er sieht sie mit einem Lächeln an, das seine Augen funkeln lässt und Clara noch mehr verunsichert.
    «Ähm, ich nehme lieber eine Schorle   … also, eine Saftschorle   … also Wasser mit Maracujasaft und nicht Wasser mit Wein», hört Clara sich stottern. Sie möchte sich am liebsten auf die Zunge
     beißen, weil sich das alles andere als souverän und professionell anhört.
    Sven Lehmann schaut auch

Weitere Kostenlose Bücher