SMS - Sarah mag Sam
Sam, den kennst du doch«, sagt Marc und meine Mutter wirkt jetzt wenigstens halbwegs beruhigt.
»Aber warum holt er dich ab?«
»Versteh ich auch nicht«, brummt Marc. »Er ist einfach zugutmütig und kutschiert alle Mädels durch die Gegend. Heute ist eben die kleine Sarah dran.«
Ich remple Marc an, aber dieser Klotz bewegt sich kaum. Wieder hupt Sam.
»Dann bis später«, sage ich.
Meine Mutter sieht recht besorgt aus.
»Fährt der auch vorsichtig?«, fragt sie Marc.
Der nickt lässig. »Der sorgt schon dafür, dass unsere Kleine nicht vom Sitz rutscht.«
Ich hasse es, wenn er Kleine zu mir sagt. Aber es ist nett, dass er meine Mutter beruhigt. Denn sie lässt mich los und ich schlüpfe schnell zur Tür raus. Manchmal hat ein großer Bruder doch seine Vorteile. Aber sehr, sehr selten.
Sam streckt mir den Helm entgegen, als ich rauskomme.
»Hi, Sarah. Auf zur Zeugnisverleihung.«
Ich kann nicht viel sagen, denn ich habe plötzlich einen Kloß im Hals. Außerdem habe ich ein Problem. Meine schöne Frisur wird sich gleich auflösen, wenn ich den Helm aufsetze. Eine halbe Stunde Schwerstarbeit völlig umsonst. Ich löse das Kunstwerk auf meinem Kopf auf, setze den Helm auf, schwinge mich hinter ihn auf das Gefährt und halte mich gut an ihm fest. Ich könnte darüber nachdenken, wie schlimm es ist, dass er in den Ferien wegfährt, oder was meine Freundinnen sagen, wenn wir so in den Schulhof fahren, aber ich denke jetzt gar nicht. Ich schmiege mich an Sam, so gut es geht, und träume die ganze Fahrt über. Dann bilde ich mir noch ein, das sei der schönste Tag in meinem Leben. Dabei waren es nur ganz passable zehn Minutenmeines Lebens – und die nächsten zwei Stunden sollen nicht ganz so gut werden.
Als ich im Schulhof absteige, drücke ich Sam seinen Helm wieder in die Hand.
»Danke fürs Mitnehmen.«
»Gern geschehen.«
Wir sehen uns kurz an, Sam lächelt. »Vielleicht bis später.«
Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen. »Ist es wahr, dass du fast die ganzen Ferien weg bist?«, frage ich.
»Vier Wochen Neuseeland«, verkündet Sam stolz und strahlt übers ganze Gesicht. »Meine Eltern haben Freunde dort. Das wird toll.«
In einer Fernsehserie würde der Held sein Mädchen jetzt traurig ansehen und sagen:
Ich vermisse dich jetzt schon
.
Aber das ist keine Fernsehserie, sondern mein Leben. Sam ist mein Held, aber leider findet er mich nicht interessant genug, um mich zu vermissen.
Aber noch habe ich mehr als eine Woche Zeit, um dafür zu sorgen, dass sich das ändert.
Gerade will ich dezent andeuten, dass das eine sehr schöne Rollerfahrt war und dass das viel mehr Spaß macht als Fahrradfahren, zumal der Reifen immer platt ist, wenn ich aus dem Schulhaus komme …, als plötzlich Jenny neben mir säuselt: »Hallo Sarah, hallo Sam.«
Ich habe sie nicht kommen hören, sie steht einfach neben mir und ich fühle mich überrumpelt.
Sam lächelt sie freundlich an. »Hallo Jenny. Super T-Shirt .«
Sam grinst von einem Ohr zum andern. Ich wende mich Jenny zu, um dieses Wunderwerk von T-Shirt auch zu besichtigen, und mir fallen fast die Augen aus dem Kopf.
»Mach’s noch einmal, Sam« steht auf dem T-Shirt , das ansonsten doch recht labbrig und ausgewaschen wirkt.
»Das ist ein gaaaanz altes Teil«, winkt Jenny lässig ab. »Angeblich gab’s das zu einer Kinopremiere vor über zwanzig Jahren. Ich hab’s in den Sachen meiner Mutter gefunden.«
»So sieht’s auch aus«, gifte ich. Ansonsten mag ich das ja nicht, wenn die Mädels sich gegenseitig niedermachen, nur weil ein Junge dabei ist, aber Jenny baggert Sam doch recht plump an und gerade noch war ich die Heldin, die mit ihm Roller fahren durfte.
»Eigentlich wollte ich es zu eurem nächsten Handballspiel anziehen«, flötet Jenny, die nun so tut, als wäre ich gar nicht da. »Aber jetzt sind ja Ferien, da trainiert ihr doch nicht, oder?«
Sam nickt und ich streiche eine der Gelegenheiten, Sam ganz, ganz zufällig zu treffen, von meiner Liste. Handballtraining gibt’s also nicht. Hätte ich auch wissen können, wenn ich mich für das Leben meines Bruders interessieren würde. Tu ich aber nicht.
Sam sieht noch einmal auf das T-Shirt und lächelt. »Das war ein Film mit Woody Allen«, erklärt er uns. »Ich hab ihn mal im Fernsehen gesehen.«
»Du siehst aber besser aus als dieser schrumpelige Komiker«, meint Jenny und ich finde das ziemlich platt von ihr.
Sam lacht. »Das ist auch keine Kunst.«
Sam will reingehen, denn es
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