Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
Zentralmoschee in der Ferne nach. Die Feuchtigkeit ihrer Finger an der Scheibe setzte eine hübsche Arabeske an die Stelle der eingestürzten Silberkuppel des Minaretts. Der Zug fuhr durch einen Tunnel, und wir tauchten am anderen Ende der Halbinsel von Gorbigrad wieder auf. Von diesem Aussichtspunkt aus blickte man durch das geplünderte Innere der zertrümmerten Wolkenkratzer auf dem »Plateau International« auf eine ottomanische Festung im Hintergrund, die mehr oder weniger in zwei Stücke gespalten worden war. Nana schloss die Vorhänge.
    »Bestimmt bauen sie alles wieder auf«, sagte ich. »Vielleicht springen USAID oder die Europäische Bank doch noch ein. Was, Nana?« Ich sah ihr scharf in die Augen, weil ich herausfinden wollte, wie viel sie von den Heldentaten ihres Vaters wusste.
    »Mischa, du bist so
süß
«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. Sie legte mir den Kopf in den Schoß und gähnte. »Hoffentlich wird dein Optimismus mich durchs Leben tragen, Väterchen. Wollen wir ›Essen, Ausstattung, Bedienung‹ spielen?«
    Das taten wir eine Weile, und dann ging ich online und checkte das Wetter in Brüssel, meiner neuen Heimat, und in New York, wo Nana ihr Semester an der NYU beginnen würde. »Super Wetter in der Stadt«, rief ich ihr zu. »Wow, vom 10. bis zum 16. wolkenlos, über 20 Grad. Hast du ein Glück.«
    »Eines Tages werden die Amerikaner dich wieder reinlassen«, sagte Nana, wieder gähnend. »Sie werden vergessen, dass dein Vater den Mann aus Oklahoma umgebracht hat, und nur noch an dein Gelddenken.« Sie wühlte sich in die Decke und begann, dramatisch zu schnarchen. Ich tat vermutlich dasselbe und brachte den Waggon mit meiner Schlafapnoe zum Erzittern.
    Gegen sechs wachte ich auf und begab mich in den Pub. Viele irische Sprichworte schmückten den Wagen, feierten Weisheit und Frohsinn eines grenzenlosen Alkoholismus. Große Plakate mit der Aufschrift HIER KÖNNTE IHRE ANZEIGE STEHEN nahmen den Rest des Raumes ein. KBR -Männer auf dem Rückzug, in Bundfaltenshorts und Schlabber-T-Shirts, lümmelten sich auf einer Couch mit Schottenkaros am Fenster, und der Barkeeper servierte ihnen saftige Hummerbrötchen und dicke fettige amerikanische Kartoffelchips. Die Männer waren grob und betrunken. Einer der Schotten versuchte offenbar, mit seinem Kollegen aus Houston ein literarisches Gespräch zu führen. »Evelyn
Whoo
?«, rief der Texaner. »So ein Quatsch, Mister! Das ist doch kein richtiger Name!«
    Der Zug fuhr langsam, damit unsere Beschützer nicht vom Dach fielen. Vor den Fenstern hatte sich das Landvolk an den Schienen versammelt und versuchte, uns für ihre letzten Besitztümer zu interessieren – die Überreste ihrer Esel, die Silberbrokatarbeiten ihrer Frauen, Badezimmerarmaturen, die aussahen wie schlammverkrustete Saxofone, Bilder aus glücklicheren Tagen im Goldrahmen: Georgi Kanuk überreicht einem sabbernden Leonid Breschnjew einen faustgroßen Diamanten. Im Hintergrund kämpfte das Kaspische Meer mit der Versalzung, und im Vordergrund fügte sich ein See voll Abfall und Gülle in eine dürre Graslandschaft. Dazwischen wurden rastlos die Überbleibsel der Ölindustrie abgebaut, und die Männer an den Schienen hielten schon Teile alter nickender Pferdekopfpumpen feil.
    Durch die schusssicheren Wände unseres Wagens drang der Gestank nach frischen Exkrementen und über unseren Köpfen konnten wir die Angehörigen des AmEx-Sondereinsatzkommandos herumstampfen hören; sie bedrohten die sterbenden Männer unter ihnen mit ihren Laserzielgeräten oder tauschten ein seltenes Daewoo-Dampfbügeleisen gegen ein paar Päckchen geschmuggelter Cracker und ein paar Dosen warmer Limo ein. Bei Sonnenuntergang ließ der Schwarzhandel nach, und die Männer an den Schienen verkrümelten sichlangsam zwischen Tonscherben, Sandklumpen und Grasbüscheln. Ihr Menschsein löste sich so rasch auf, dass ich im einen Moment noch erkennen konnte, wie sich der leise Glanz des Weißen in ihren Augen gegen das Schwarz und Blau der dämmrigen Wüste abhob, und schon im nächsten Moment sah ich nur noch Gelb auf Schwarz, Grau auf Schwarz, Schwarz in Schwarz – nichts.
    Mein
mobilnik
klingelte. Auf dem Display erschien die Vorwahl von St. Petersburg. So weit von der Hauptstadt konnte man offenbar wieder Auslandsgespräche führen; wir waren den absurdischen Zensoren entkommen.
    Ungeduldig blinkte die vertraute Nummer auf meinem Telefon. Es war Aljoscha-Bob. Ich wollte ihm sagen, dass ich in

Weitere Kostenlose Bücher