Snack Daddys Abenteuerliche Reise
»
Irgendeiner
anderen Seite. Es waren schon immer alle gegen uns. Die Russen. Die Armenier. Die Iraner. Die Türken. Guck dir unsere Nachbarn doch an. Wir haben hier keine Freunde. Wir hatten gehofft, dass Israel uns mag und dann die amerikanische Öffentlichkeit auf unsere Seite zieht. Deshalb haben wir auf dich gehofft.«
»Du hast mich angelogen, du zuckendes Arschloch«, flüsterte ich. »Das Öl …, der scheiß LOGCAP .«
Wie ein Blitz zuckte Nanabragov nach Steuerbord, als würde er einen neuen lateinamerikanischen Tanz üben. »Habe ich irgendetwas falsch gemacht, Mischa?«, fragte er. »Habe ich meinem Volk irgendwie geschadet?«
»Dem Volk …«, sagte ich. Ich blickte zu den Flüchtlingen hinüber, die sich unter den blauen Zeltplanen des UNHCR zusammendrängten. Ich hatte Angst, sie könnten Wind von dem Hammel und dem Stör bekommen, die ein paar Meter weit seewärts gegrillt wurden, und dann das »Hündchen« stürmen. War noch Kraft in ihnen oder Zorn?
»Du hast es vernichtet«, sagte ich. »Das Land ist ruiniert.«
»Was soll man da machen?«, sagte Nanabragov mit erneutem Achselzucken.
»Ich habe an dich geglaubt«, sagte ich. »Ich dachte, wir könnten alles etwas besser machen. Die Menschen brauchen nur ein wenig Hoffnung und Zuspruch. Sie arbeiten hart, und sie sind schlau.«
»Ohne Öl ist dieses Land nichts«, sagte Nanabragov. »Sevo oder Svanï, das macht keinen Unterschied. Wir sind ein Feudalstaat. Unsere Mentalität ist feudalistisch. Im Kalten Krieg war die Welt noch in Ordnung. Moskau hat für alles gesorgt. Aber jetzt verändert sich die Welt so schnell, dass man nie wieder aufholen kann, wenn man auch nur einen Zentimeter zurückfällt. Ein Blick auf die Chinesen und die Inder genügt, dann weiß man gleich, dass wir bei diesem Rennen nicht mithalten können. Wir brauchen einen neuen Schutzpatron.«
»Aber die jungen Leute von heute sind anders«, sagte ich. »Mein Freund Aljoscha-Bob hat mir erzählt, dass sie Hunderte raubkopierter DVD s brennen können wie nichts. Die hacken sich überall rein.«
»Sicher, hacken und brennen können sie«, sagte Nanabragov. »Gib mir eine Fackel, dann zünde ich hier alles an. Ich sage dir, wer bei uns auch nur ein kleines bisschen Grips in der Birne hatte, ist schon lange nach Orange County geflüchtet.«
»Also zerstört ihr ein Land, weil es nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Was ist das denn für ein Grund?«
»Der allerbeste, Mischa. Wer heutzutage keine Bodenschätze hat, braucht USAID . Braucht die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Braucht Kellogg, Brown & Root. Wenn wir nur auf Amerikas Top-Ten-Liste kämen und absahnen könnten wie Jordanien oder Ägypten. Oder Israel.«
»Warum habt ihr Trotl den Demokraten umgebracht?!«, rief ich. »Das war nicht irgendein drittklassiger Bauer.
Er war einer von uns
.«
»Die Bundesstreitkräfte haben Trotl umgebracht. Das war nicht das DORSCH .«
»Ihr habt das alles zusammen mit den Svanï geplant. Zuerst hieß es weg mit den Demokraten.«
»Waren ja auch zu nichts zu gebrauchen. Intellektuelle Weicheier.Zu blöd zum Scheißen. Was ist denn, Mischa? Oh, um Himmels willen. Lass das! Männer weinen nicht. Wie sieht das denn aus? Wenn so ein großer Mann in Tränen ausbricht … Was würde Nana sagen?«
Ich zitterte bis in meine lächerlichsten Körperteile, Tränen flogen in alle Richtungen, nur nicht nach oben, wie die ausgebliebenen Ölfontänen. Mir klangen noch immer Trotls leise Klagen in den Ohren, seine letzten Worte, an mich gerichtet:
Mischenka, bitte. Sie sollen aufhören. Auf einen Mann wie dich werden sie hören. Bitte. Sag etwas.
Herr Nanabragov trat auf mich zu. Er breitete die Arme aus, wie um mich zu umarmen, aber sie zuckten ihm weg. Still ruckelnd stand er da. »Mischa«, sagte er. »Du darfst mir meine Nana nicht wegnehmen.«
»Was?«
Seine Augen füllten sich mit Wasser und Regenbögen. »Du weißt gar nicht, wie schwer es ohne sie war«, sagte er schniefend. »Als sie an der NYU war und mein Bubi Musikethnologie an der UCLA studiert hat, gab es nichts mehr für mich … nichts, wofür es sich zu leben lohnte. Menschen wie dein Vater und ich, wir gehören zu einer anderen Generation. Für uns ist die Familie alles. Wir können nicht so leben, wie man es heute macht, ein Kind in San Diego, eins in Torrence, eins im Valley.« Er wischte sich die Augen.
»Du willst doch wohl nicht, dass sie
hier
lebt«, sagte ich.
»Ihr könnt beide bleiben.
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