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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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hielten einander in einer herzlichen betrunkenen Umarmung. »Hallöchen, die Herren«, rief ich ihnen zu. »Wollt ihr mal was hören? Dann werde ich es euch sagen! Alles hat seine Grenzen!«
    Und schon spazierte ich zum Uferdamm hinunter wie eine hochmütige Transe und ließ meine Arme und die Hüften schwingen. Ich kam am Bronzenen Reiter vorbei, der Statue des lockenhaarigen Arschlochs Peters des Großen im Sprung auf einen großen Felsbrocken, im Galopp Richtung Norden, um die verfallene Stadt, die er gegründet hatte, der lieblichen Ufer Finnlands zuliebe zu fliehen und uns allen, die wir kein EU -Visum besaßen, nichts zu lassen als den Anblick seiner fetten Bronzemähre von hinten.
    »Alles hat seine Grenzen!«, rief ich einer Hochzeitsgesellschaft zu, die unter Peter posierte, dünnärschige Zwanzigjährige, die sich noch keinen Begriff von den leeren Schrecken ihres zukünftigen Lebens machen konnten.
    »Hurra, Euer Merkwürden!«, riefen sie mir mit erhobenen Wodkaflaschen zu, besoffen wie sonst was.
    Eines ihrer Großmütterchen bewachte die Hochzeitskarosse, eine verbeulte Mikrolimousine der Marke Lada, mit blauen und weißen Bändern geschmückt. »Das habe ich auch immer gesagt«, zischte sie mir fröhlich zwischen ihren beiden Zähnen zu. »Dass alles seine Grenzen hat. Aber jedes Jahr wird mir wieder das Gegenteil bewiesen!«
    »Frohlocke,
babuschka
!«, rief ich. »Bald wird alles anders. Es wird Grenzen geben! Für alles!«
    »Ja, Grenzen oder Arbeitslager«, sagte das Großmütterchen. »Soll mir beides recht sein.«
    Inzwischen fuhren Timofej und Mamudow mir im Landrover nach, und Timofej lehnte sich aus dem Fenster und rief: »Kommt zurück, junger Herr! Alles wird gut! Wir fahren ins Amerikanische Krankenhaus. Euer Lieblingsarzt Dr. Jegorow hält heute Sprechstunde. Gerade ist eine neue Lieferung Citalopram eingetroffen.«
    Ich drehte mich um, eine Hand in der Hüfte, eine Riesenfaust in die Luft gereckt. »Willst du nicht anerkennen, bester Timofej, dass alles seine Grenzen hat?«, brüllte ich. »Dass ich kein gebildetes verwestlichtes Tier bin, dem man einfach in die Fresse treten kann?«
    »Ich erkenne es an!«, schrie Timofej. »Ich erkenne es an! Was wollt Ihr denn noch?«
    Aber ich wollte mehr. Oh, und wie ich mehr wollte. Ich schlug mich ans Ufer durch, meine butterweichen Schenkel klatschten aneinander, bis ich den grünen Zuckerguss des Winterpalastes erreichte, eines seiner unbedeutenderen Gebäude, geschmückt mit dem Schriftzug DIE WEISSEN NÄCHTE IN DIESEM JAHR POWERED BY DAEWOO . Ich hielt inne und sog den billigen Diesel und brennenden Teer ein, die dicke Luft einer irrtümlich 5000 Kilometer zu weit nördlich abgesetzten Dritte-Welt-Metropole, der es leider am üppigen Duft nach verbrannter Ziege und Honigkuchen mangelte.
    Nicht einmal den Gestank der Armut bekamen wir richtig hin.
    Ich bog auf die Palastbrücke ein und zählte drei gusseiserne Laternenmasten, bis ich die Stelle erreichte, an der mein Vater hingerichtet worden war. Da war gar nichts. Nur alte Ladas im Stau und ein einsamerLandrover, der von hinten drängelte. »
Batjuschka
, kommt zurück«, konnte ich Timofej in der Ferne schreien hören. »Kein Grund zur Panik! Wir haben Tavor im Wagen. Tavor!«
    Am dritten Laternenmast setzte ich mich. Die Stadtlandschaft stürmte auf mich ein; die Festungen und Dome und Turmspitzen waren entweder für einen kleineren Menschen als mich gebaut worden oder für einen größeren. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich war auf der Suche nach etwas dazwischen. Ich war auf der Suche nach einem normalen Leben. »Alles hat seine Grenzen«, rief ich den ineinander verkeilten Ladas und ihren verhärmten Insassen zu. »Alles hat seine Grenzen«, flüsterte ich dem Teenager zu, der sich in einer als städtische Ambulanz verkleideten polnischen Schräghecklimousine wand, dessen defekte Sirene das falsche Quäken ausstieß, eher Grabgesang denn Warnton.
    Timofej war aus dem Landrover gesprungen und lief auf mich zu, zwei Medizinfläschchen in jeder Hand. Ich nahm mein
mobilnik
und wählte Aljoscha-Bob an. Es war Montagabend, und ich wusste, dass ich am anderen Ende im Hintergrund das närrische Treiben des »Club 69« hören würde.
    »
Yo!
«, rief Aljoscha durch den Lärm.
     
     
    Der »Club 69« ist ein Schwulenlokal, aber wer sich die drei Dollar Eintritt auch immer leisten konnte – also das reichste eine Prozent unserer Stadtbevölkerung –, tauchte dort irgendwann unter der

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