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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Woche auf. Homosexualität hin oder her, das »69« war zweifelsohne der normalste Ort Russlands, frei von niederen Schurken in Lederparkas oder Skinheads in Springerstiefeln, nur nette Schwule mit ihrem Gefolge aus hingerissenen reichen Hausfrauen. Hier kam einem jener beliebte Begriff wieder in den Sinn, den heimatvertriebene Amerikaner einander bei einem Bagel mit Frischkäse zuflüsterten:
Zivilgesellschaft
.
    Aljoscha-Bob und seine Swetlana saßen unter einer Statue des Adonis und beobachteten einen U-Boot-Kommandanten, der schwulen deutschen Pauschalreisenden seine junge Besatzung verkaufen wollte. Unbeholfen versuchten die nackten 17-Jährigen, ihre Blößen zu bedecken,und der betrunkene Kapitän schnauzte sie an, sie sollten ihre kostbare Ware endlich freigeben und »schütteln wie ein nasser Hund«. Offenbar hatte auch die Zivilgesellschaft ihre Grenzen.
    »Ich muss raus aus Russland«, sagte ich zu Aljoscha-Bob. »Alles hat seine Grenzen.«
    »Ja, gut«, sagte Aljoscha-Bob. »Aber warum?«
    Meine Zukunft mit Ljuba stand mir klar vor Augen. Ich sah uns Paisley-Möbel bei Ikea in Moskau aussuchen. Ich hörte, wie sie mich Väterchen nannte, wenn ich mich auf sie wälzte. Lunch unter dem meterlangen Ölgemälde von Maimonides; Dinner unter Papas kritischem Schwarzweißblick. Am Ende dann zwei reiche unglückliche Kinder: ein Fünfjähriger in einem Dolce & Gabbana-Gangsteranzug, seine jüngere Schwester erdrückt von einem in Lederaccessoires verwandelten Alligator. Wir alle umgeben von kicherndem Hauspersonal, einer zusammengebrochenen Infrastruktur, schniefenden Großmütterchen … Russland, Russland, Russland …
    Aber wie sollte ich das alles Aljoscha-Bob erklären? St. Leninsburg war sein Spielplatz. Sein wahr gewordener Wodkatraum.
    »Willst du abhauen, weil du heute Ljuba gefickt hast?«, fragte Swetlana.
    »Ist das wahr?«, fragte Aljoscha-Bob. »Du hast es mit der Alten von Boris Vainberg getrieben?«
    »Siehst du jetzt, in was für einer Stadt wir leben?«, sagte ich. »Vor nicht einmal drei Stunden habe ich es mit ihr getrieben. Man darf den Domestiken nie ein
mobilnik
geben. Wahrscheinlich ist das Internet inzwischen schon voll davon.«
    »Du hast ganz Recht, Mischa«, sagte Swetlana. »Du solltest hier
wirklich
verschwinden. Immer und immer wieder sage ich diesem Idioten« – sie zeigte auf Aljoscha-Bob –, »dass wir hier auch abhauen müssen. An der Boston University kann man in einem Jahr einen Abschluss in Public Relations machen. Man kann vor Ort praktische Erfahrung als Kontakter für gemeinnützige Einrichtungen sammeln. Ich könnte beim Boston Ballet arbeiten! Ich wäre kultiviert und schlau und würde mir meinen Lebensunterhalt anständig verdienen. Die Amerikaner würden schon merken, dass nicht alle russischen Frauen Nutten sind.«
    »Jetzt hör sie dir an!«, sagte Aljoscha-Bob. »Das Boston Ballet. Und was stimmt mit unserem Kirow nicht? Für Barischnikow war es gut genug, oder etwa nicht?«
    »Aljoscha, du willst dein ganzes Leben nur deshalb hier verbringen«, sagte Sweta, »weil du daheim in Amerika ein Niemand bist.«
    »Psst! Seht mal, wer hier ist«, sagte Aljoscha. »Der Mörder.«
    Hauptmann Belugin wischte sich das ergraute Gesicht mit dem Ärmel seines grünen Armani-Hemds ab und schlenderte an unseren Tisch herüber. Er sah älter aus als auf Papas Beerdigung, die Ohren hingen ihm wie Kohlblätter am Kopf herab. »
Allo
, Brüder«, sagte er und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. »Sweta. Wie geht es dir, meine Schöne?
Nu
, wie ich sehe, sind wir alle Freunde des ›Club 69‹. Und warum auch nicht. Schwulsein macht Spaß. Manchmal habe ich auch gerne einen kleinen Jungen neben mir. Nicht so behaart wie meine Frau. Viel weiblicher. He, Serjoscha!« Er winkte einem jungen Cherub in einem Stringtanga zu, der Wodka aus einem Toiletteneimer ausschenkte. »Komm mal rüber, junger Freund.«
    »Mein Aljoscha ist jedenfalls kein Päderast«, sagte Swetlana. »Er kommt nur wegen der Atmosphäre her. Und um wichtige Leute zu treffen.«
    »Hallo, Serjoscha«, sagte ich zu dem netten Jungen. »Wie geht’s denn so, alte Gurke?«
    »Serjoscha
number one, true love forever, I am only just for you
«, sagte Serjoscha und warf mir einen professionellen Luftkuss zu.
    »Serjoscha geht mit einem reichen Schweden nach Thailand«, verkündete Hauptmann Belugin, während Serjoscha uns anlächelte wie ein schüchternes Albinoäffchen. Er schenkte den Wodka mit einem Becher aus und gab

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