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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Stewardess zu: »Niemand an Bord dieses Flugzeugs befürwortet den Multikulturalismus so entschieden wie ich. Aber Ihre Hühnerleber abzulehnen, das ist scheinheiligster Rassismus. Der Mann spuckt uns allen ins Gesicht! Besonders mir.«
    »Da haben wir es wieder«, murmelte Aljoscha-Bob. »Kaum landet unser Mischa auf einem Western-Set, rauchen die Colts.«
    »Ich habe noch nicht mal angefangen«, zischte ich. »Du weißt, was
dann
los ist.«
    Die Stewardess sprach mir ihr Bedauern aus und versprach, eine höhergestellte Persönlichkeit vorbeizuschicken. Bald darauf erschien ein hoch gewachsener homosexueller Österreicher, der sich als Chefpurser oder so vorstellte. Ich erklärte ihm mein Dilemma. »Das ist eine sehr peinliche Situation«, hob der Chef an, den Blick auf seine Schuhe geheftet. »Wir sind –«
    »Österreicher«, sagte ich. »Ich weiß. Das macht nichts. Ich spreche Sie frei von Ihrer ungeheuren Schuld. Aber hier geht es nicht um Sie, sondern um uns. Hier steht der gute Jude gegen den bösen Juden. Der Mainstream gegen die Intoleranz, und wenn Sie den Chassiden schützen, setzen Sie damit Ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit fort.«
    »Pardong«, sagte der Chassid, der sich auf seinen Hinterbeinen zum erstaunlichen chassidischen Maß von fast zwei Meter fünfzig erhoben hatte. »Ich habe mitgehört, nu, es ging nicht anders –«
    »Sir, bitte nehmen Sie wieder Platz«, sagte der Chefpurser. »Wir regeln das schon.«
    »Na klar, immer schön den Chassiden verhätscheln«, sagte ich und stand dann selber auf, wobei ich den Chefpurser leicht mit meinem Bauch von mir stieß. »Wenn Ihr Erster-Klasse-Service so aussieht, sitze ich lieber bei meinem Diener in der Touristenklasse.«
    »
Dies
ist Ihr Platz, Sir«, sagte die Stewardess. »Sie haben dafür bezahlt.« Der Chefpurser wedelte währenddessen mit seinen zarten Händchen, was mir bedeuten sollte, mich aus seinem geheiligten Nahbereich zu entfernen. Aljoscha-Bob lachte über meine Narretei und tippte sich mit dem Finger an die Stirn, um anzuzeigen, dass es mir da oben nicht gut ging.
    Und Recht hatte er: Es ging mir nicht gut.
    »Ihretwegen bin ich kein richtiger Mann mehr«, spuckte ich den Chassiden an, als ich an seiner Reihe vorbeikam. »Ihr habt mir mein Bestes genommen. Mein Wichtigstes.« Bevor ich ging, wandte ich mich an alle Passagiere der ersten Klasse: »Ihr Mitjuden unter euch, hütet euch vor ihrem
mitzvah
-Mobil. Hütet euch vor der Beschneidung im Erwachsenenalter. Hütet euch vor der Frömmigkeit. Die Chassidim sind nicht wie wir. Nicht mal im Traum.« Mit diesen Worten schloss ich die Trenngardine hinter mir. Ich will den Chassiden hiernicht menschlicher wirken lassen, indem ich mich über das mittelalterliche Grausen auf seinem blassen Gesicht auslasse, den zyklischen, nie enden wollenden Schrecken, der unserem Volk so zu schaffen macht.
    Wo in großer Enge die Touristen hausten, fand ich an einem stinkenden Klo, umtost von einem grell misstönenden Farbkonzert, das die Armen auf ihrer Reise fröhlich stimmen sollte, einen Platz neben meinem Timofej. »
Batjuschka
, was soll das?«, wisperte er. »Was macht Ihr hier? Ihr gehört nicht hierher!« Tatsächlich ließ sich mein Leibesumfang nur schwer mit der österreichischen Vorstellung von einem Touristenklassesitz versöhnen; am Ende hing mein Hintern dort, wo mein Rücken hingehört hätte, und mit den Händen musste ich mich am Vordersitz abstützen.
    »Ich bin aus Prinzip hier«, erklärte ich meinem Diener und tätschelte ihm den von dichtem, weiblich anmutendem Haar bedeckten Schwammkopf. »Ich bin hier, weil ein
jid
meine Ehre beflecken wollte.«
    »Es gibt Juden und
jidn
«, sagte Timofej. »Das weiß doch jeder.«
    »Heutzutage ist es nicht leicht, ein Mann von Kultur zu sein«, sagte ich. »Aber es wird schon gehen. Sieh aus dem Fenster, Tima. Die Berge da unten, das könnten die Alpen sein. Würdest du nicht gerne mal die Alpen sehen? Du könntest zu einem kleinen Picknick mit deinem Sohn hinfahren.«
    Auf Timofejs Gesicht breitete sich ein Ausdruck von so überweltlicher Ungläubigkeit aus, dass er mir nur noch Leid tun konnte. Und ich mir selber auch. An Bord gab es genug Betrübnis für uns beide.
    Grief. Good Grief
, wie die Amerikaner sagen.

14
    Norwegen am Kaspischen Meer
     
    Wir landeten auf dem Wiener Flughafen und rollten am verglasten Hauptgebäude vorbei, wo die Flugzeuge immer pünktlich waren, zu einem fragwürdigen Terminal, wo unter »ferner liefen«

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